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Revolutionäre Jugend
 
   
Zhang Langlang
 
   
1   Ruhiger Horizont
 
   
(6)
 
   

Nach einem Jahr brachten sie mich wieder nach Raoyang. Der kleine Duan und Yang Bingsun* waren inzwischen zu 15 bzw. 16 Jahren verurteilt und ins Arbeitslager gebracht worden, um ihre Strafe zu verbüßen. Qi erzählte mir, dass, nachdem wir fort waren, tatsächlich jemand gekommen war, um die Geschichte mit unserer Zeitung zu untersuchen. Weil wir, die Täter, aber inzwischen tot oder jedenfalls weg waren, hatte man schließlich die Sache auf sich beruhen lassen. Seine Exemplare hatte er längst vernichtet.

In Raoyang hatten sich die Dinge geändert. Gewahrsamschef Zhang war zu der Ansicht gelangt, dass auf Dauer nichts Gutes dabei herauskommen konnte, wenn man die politischen Häftlinge den ganzen Tag müßig gehen, Trübsal blasen und hungern ließ. Müßiger Hunger ist schwer zu ertragen, erklärte er; wenn sie was zu tun haben, zerstreut sie das, andernfalls weiß man nicht, was sie aushecken. Also begann auch für die Politischen das „Hanfaffen-Flechten “.

Diese sogenannten „Hanfaffen “ hießen in Peking „Achsenhaare “. Es waren fünffarbige Ringe aus Hanf. Fahrradfahrer zogen sich solche Achsenhaare über die Radachsen, die Dinger drehten sich bei der Fahrt mit den Rädern, es sah flott aus. Solchen Fahrradschmuck hatte man damals.

Die Hanfaffen dürften im Laden nicht viel gekostet haben, ihr Mehrwert war also gering, aber glücklicherweise war unsere Arbeitskraft umsonst. Man sollte die kleinen Hanfaffen auch nicht geringschätzen, sie waren gar nicht so einfach herzustellen. Zunächst wurde Hanf in Bündeln auf einen Platz zwischen den Gewahrsamsgebäuden gebracht und dann von Arbeitshäftlingen (Häftlingen mit ausdrücklicher Arbeitserlaubnis, gewöhnlich Einheimischen) mit großen Häckselmessern auf ungefähr drei Dezimeter gekürzt. Je eine solche Handvoll Hanfstengel wurde dann von Häftlingen, die die Technik raus hatten, rot, gelb, blau oder grün gefärbt. Im nächsten Arbeitsgang ließ man alte, schwache oder kranke Häftlinge diese Hanfsträhnen so lange durchkämmen, bis sie weich waren wie Seidenfäden und glänzten wie Satin.

Sieben und ich rechneten als jung und kräftig, also kamen wir in die Endfertigungswerkstatt. Weil wir zur gleichen Strafsache gehörten, waren wir in den drei Jahren seit der Verhaftung immer in verschiedene Zellen gekommen, auch noch im Todestrakt. Jetzt in der Werkstatt konnten wir unsere Drehbänke nebeneinander stellen, also uns nach Lust und Laune unterhalten. Die hölzernen Drehbänke hier waren Marke Eigenbau, wir drehten daran Hanfsträhnen verschiedener Farben mit Bleidrähten zusammen; das ergab das einzige Produkt unserer Werkstatt, eben die Hanfaffen. Um die Entwicklung der Produktivkräfte anzuspornen, hatte der Chef unsere Produktionsmengen mit unseren Rationen gekoppelt.

Die jungen Bauern aus der Gegend waren zunächst mit den Händen viel geschickter als wir. Mit uns, da waren sie sich sicher, mit uns war nichts los. Sie bekamen die größten Rationen und wir die kleinsten. Und das war noch das mindeste. Wenn ich einen Moment nicht acht gab, schnitt ich mir große Wunden in die Handflächen. Darüber lachten sie sich schief. Aber wie meist bei den „jungen Intellektuellen “ machte unsere Technik nach drei Monaten plötzlich große Fortschritte. Allmählich bekamen wir die größten Rationen und neu gekommene Bauern die kleinsten. Nicht einmal alte Bauern, die die Technik beherrschten, konnten sich mehr mit uns messen.

Dazu führten wir in dieser Zeit noch technische Verbesserungen ein. Wir veränderten nicht nur die Drehbänke von Grund auf, sondern verbesserten auch das seit Jahren unveränderte Herstellungsverfahren und die Körperhaltung dabei. Diese Änderungen und unsere verbesserte Stellung schadeten uns bei den einheimischen Häftlingen aber nicht. Es waren einfache, ehrliche Leute, sie stellten sich der Realität. Sie hatten uns zunächst ganz aufrichtig ausgelacht, dann haben sie uns ganz aufrichtig bewundert.

Wir steigerten die Hanfaffenproduktion um ein Vielfaches, und damit wurde die Lage viel angenehmer. Eines Tages rief der Chef uns zusammen und hielt uns eine sehr vergnügte Rede: Unsere Umerziehung zeige erste Ergebnisse, die Produktion sei gestiegen, das Soll werde übererfüllt. Jetzt müsse aber strikt auf die Qualität geachtet werden! Komme auch die Qualität übern Berg, dann gebe es bei der nächsten Aufbesserung ganz gewiss mit Schweinefleisch gesottene Glasnudeln! Vor dieser Rede hatte er zwar mit Sicherheit getrunken, aber wir freuten uns dennoch. In Raoyang gab es in der Regel im Jahr viermal eine Aufbesserung, zum 1. Mai, zum 1. Oktober, zu Neujahr und zum Frühlingsfest. Wann der alte Herr uns nun die mit Schweinefleisch gesottenen Glasnudeln servieren wollte, wussten wir nicht.

Am meisten freute uns, dass Sieben und ich nun zu Mustersoldaten der Produktion geworden waren und wir deshalb viel mehr zu essen bekamen als früher. Der Hunger quälte uns vorläufig nicht mehr. Tatsächlich hatte der Chef allerdings nicht unsere Rationen erhöht, sondern er ließ uns einen Teil von den Rationen der Neuankömmlinge zukommen. Denn die erfüllten nie ihre Solls. Wir hatten deshalb kein schlechtes Gewissen, denn die einheimischen Häftlinge blieben nie lange, sie wurden bald abgeurteilt und kamen dann zur Verbüßung ihrer Strafen ins Arbeitslager. Dort waren sie legale Arbeitskräfte, und man ließ sie nicht hungern. Wir dagegen standen Häftlingen mit ausgesetzter Todesstrafe gleich und wussten nicht, wie lange wir hier noch ausharren mussten. Für uns stand daher die Selbsterhaltung an erster Stelle. Bevor der Chef mit der Produktion begonnen hatte, war hier Zou Zongzhi verhungert, ein Student der Pekinger Meteorologischen Hochschule, der mit uns nach Raoyang gekommen war. Wir wollten seinem Beispiel nicht folgen.

Besonders schön bei dieser Tätigkeit war, dass wir uns in der Werkstatt unterhalten konnten, während wir die Hanfaffen drehten. Manchmal sangen wir auch zusammen. Auch die jungen Leute aus der Gegend sangen mal was aus einer von Jiang Qings Modellopern oder zu Mao-Zitaten. Eines Tags sangen Sieben und ich die Londonderry Air. Die melancholische Melodie mochte wohl der allgemeinen Stimmung entsprechen, wir sangen sie mehrmals, unbemerkt verstummten die anderen, die ganze Werkstatt wurde still, außer dem Summen der Drehbänke blieb nur unser Gesang.

Wir merkten, dass alle zuhörten und schwiegen, als wir eine Strophe zu Ende gesungen hatten. Niemand sprach, alle waren wohl noch in der Melodie versunken. Dann war Essenspause, und ein paar junge Leute, aus Peking wie aus der Gegend, kamen zu uns und baten uns um Lieder. Sieben und ich versprachen, abends, wenn wir Wache hatten, Lieder aufzuschreiben, um ihrer Erinnerung auf die Sprünge zu helfen.

Die Lieder, die uns einfielen, haben Sieben und ich am nächsten Tag in einem Heft ins Reine geschrieben, dann ließen wird das die andern abschreiben. Von da an wollten sie jeden Morgen bei Arbeitsbeginn von uns wieder das vertraute irische Lied hören und sangen leise im Chor mit. Nach einigen Tagen konnten es fast alle jungen Leute in der Werkstatt, wir sangen es täglich, es wurde unser Werkstattlied. Wer hätte gedacht, dass diese irische Melodie einmal über die bleichen Salzfelder von Raoyang klingen würde!

Wir haben ihnen noch Dvoraks Heimatlied beigebracht – leider erinnerte ich mich nur noch so ungefähr an den Sinn, der Text, den ich ihnen daraus zusammengestoppelt habe, war ziemlich falsch – und dann noch manches andere; Sieben und ich haben ihnen damals auch eigene Lieder geschrieben. Aber am beliebtesten blieb in diesen drei Jahren immer das erste Lied, das sie gelernt hatten:

„Im Herzen trage ich ein wunderbar Begehren… “[1]

Allmählich schien uns der Enthusiasmus noch steigerungsbedürftig, und wir begannen, selbst Gedichte und Geschichten zu schreiben. Ich verfuhr so: Jeden Abend schrieb ich in den zwei Stunden, die ich Wache hatte, ein Stück einer Geschichte, das ich am nächsten Tag dem Sieben gab, der es durchsah und mir half, es zu korrigieren und zu verbessern. Am dritten Tag las ich es dann allen vor.

Für unsere fleißige Arbeit haben wir diese kostbare Freiheit eingetauscht.

Damals wurde es mir zur festen Gewohnheit, jede Nacht, wenn die Welt draußen völlig verstummt war, an die tausend Zeichen zu schreiben. Die Leute in der Werkstatt hatten mit mir einen Geschichtenerzähler bekommen. Wer schreibt, braucht wohl immer Leser oder Hörer, und die Häftlinge hier hungerten nicht nur nach Essen, sonderten hungerten und dürsteten auch nach geistiger Nahrung; das gab mir Kraft zu schreiben.

Während der Arbeit unterhielt ich mich mit Sieben meist über unsres Lebens Schneestürme und Blütenmonde, und natürlich gedachten wir voll Bedauern so mancher romantischen Geschichte, so in der Art „Wenn wir das damals geahnt hätten, hätten wir’s anders angefangen “, oder wohl auch wie Qingwen im „Traum der Roten Kammer “: „Ich wußte längst, welch unverdienter Ruf mir anhängt, und lange mach ich’s eh nicht mehr “. Das brachte mich auf den Gedanken, so eine Liebesgeschichte zu schreiben. Weil sie mit einem Haus begann und damit auch endete, nannte ich sie „Geschichte eines Hauses “.

Ich erzählte, wie wir, als ich klein war, in der Großen Yabao-Gasse Nr. A2 gewohnt hatten. Das hintere Tor unseres Hofes war die Nr. 66 der Kleinen Yabao-Gasse. Nr. 65 der Kleinen Yabao-Gasse aber war ein märchenhaftes zweistöckiges Häuschen, wie man es sonst in den Pekinger Gassen schwerlich fand, und darin wohnten ein alter Mann namens Huang und im Obergeschoß ein kleines Mädchen, ungefähr unseres Alters. Sie war angezogen, als komme sie aus einer Bildergeschichte, ganz anders als sonst die Kinder in unserer Umgebung, und sie bewegte sich immer so anmutig. So hatte man sie, heute ist mir das bewusst, zu Hause erzogen. Damals aber war sie in meinen Augen eine Märchenprinzessin.

Während der Kampagne gegen Rechts brachte sich der alte Mann um; ich saß auf dem Dach unsres Hauses und sah von dort, wie der Rettungswagen ihn fortbrachte. Ich sah auch das kalkweiße Gesicht meiner kleinen Prinzessin, sah, wie ihre Lippen zitterten, als sie da im Hof stand. Bald darauf zogen wir weg, und all das vergaß ich allmählich. Das war also eine Begebenheit aus meiner Kinderzeit.

Auf einem Treffen während meiner Studentenzeit geriet ich mit einem Mädchen in ein angeregtes Gespräch. Ich hatte das Gefühl, wir kannten uns schon von irgendwoher. Sie erzählte, dass sie an der Pekinger Medizinischen Hochschule studierte – und in der Kleinen Yabao-Gasse Nr. 65 wohnte; da ging mir ein Licht auf. Damals erst erfuhr ich den Namen der kleinen Prinzessin meiner Kindertage, und dass sie die Adoptivtochter des alten Herrn Huang war. Huangs Selbstmord aber war damals misslungen, und er lebte dort immer noch still vor sich hin.

Ich hatte damals schon eine Freundin, aber wir waren beide voll jugendlichen Überschwangs, es sah nicht so aus, als würde die Sache lange halten, wir stritten uns ständig und waren dabei, uns zu trennen.

Huang war es im Leben wohl ganz anders ergangen als mir. Sie war ein stilles Wasser, klug und voller Verständnis für andere. Ich fand also, dass niemand so zu mir passte wie sie.

Wir freundeten uns an. Aber [wegen unserer unterschiedlichen Klassenherkunft] musste in der damaligen Zeit eine solche Freundschaft auf den entschiedenen Widerstand unserer Schulen, meiner Studienkollegen und sogar unserer Familien stoßen.

Die Kulturrevolution schlug noch härter zu als die Kampagne gegen Rechts, und diesmal kam der alte Huang nicht mehr davon; schließlich ritt er auf gelbem Kranich fort,[2] und auch das Haus der Huangs wurde als Hauptquartier irgendeiner Roten Garde mit Beschlag belegt. Wenigstens war sie noch Studentin und wurde als Mitglied einer Medizinergruppe, welche die Rote Garden-Bewegung unterstützte, an die Qinghua-Universität delegiert.

Ich kämpfte mich durch Wind, Regen und Pulverdampf und fand sie schließlich in einem Zelt auf dem Qinghua-Campus. Wir sahen uns ohne Worte an und gingen ein Stück zusammen, ohne Tränen. Zuletzt begleitete sie mich zum Campus hinaus und sagte: „Geh zurück, sei deinen Mitschülern ein guter Kamerad, deinen Freunden ein guter Freund und deiner Mutter ein gutes Kind. Verlass mich. “ Mein Fahrrad verschwand im nächtlichen Nebel.

Einige Monate später schleppten mich einige alte Kumpel in ihr Hauptquartier, Bier trinken. Unerwartet fand ich mich in dem Haus wieder, das einst das Heim der Huangs gewesen war, in ihrem Mädchenzimmer. Die Knaben hatten entsetzlich gewütet. Bierflaschen kullerten über den Boden, Geschirr flog herum, überall lag Abfall. Aber, unverhofftes Glück! Der elektrische Plattenspieler war erstaunlicherweise heil geblieben. Ich legte eine Platte auf, Dvoraks „Aus der Neuen Welt “; die Melodie am Anfang des zweiten Satzes[3] war uns beiden in jenen Jahren die liebste gewesen.

Stumm saß ich daneben, trank Bier und war in der Erinnerung versunken, als draußen einer rief: „Kommt rasch, hier ist ein Kellerraum verriegelt und noch nicht durchsucht! “ Dann griff er sich einen Ziegelstein und hämmerte damit auf das Schloss ein. Die Jungs rannten runter, ich blieb allein zurück und trank weiter.

Aus dem Keller dröhnte das Hämmern, dongdong, und im Plattenspieler dröhnten die Pauken, dongdong, …

Das war das Ende der „Geschichte eines Hauses “, die ich in Raoyang geschrieben habe. Weil es ein Roman sein sollte, wollte ich die Konturen herausarbeiten, eindrucksvolle Darstellungen ebenso einfügen wie Klatsch und Tratsch. Allabendlich hockten wir da nach der Arbeit zusammen, der Schweiß glänzte auf den nackten Oberarmen und vermischte sich mit bunten Hanfstückchen. Gewissenhaft, Wort für Wort und Satz für Satz, las ich das neueste Stück meiner Geschichte vor, sie hingen mir an den Lippen.

Nur einer hielt nichts davon, ein junger Mann aus Peking, der hierher aufs Dorf verschickt worden war.

Er hieß Liu Lusen. Er sagte: „In den Pekinger Gassen hab ich mich von klein auf herumgetrieben und nie solche Sachen gesehen oder auch nur gehört. Ich schätze, du bist nichts als ein alter Schwätzer. Du solltest den blöden Jungen hier keinen Dunst vormachen. Wenn sie dir zuhören, glauben sie womöglich, in Peking könnten sie an jeder Ecke einer Prinzessin begegnen. Willst du hier unschuldige Kinder verdummen? Wenn du mit deinem Geschwätz weitermachst, solltest du vorweg erklären, dass du dir das alles nur ausgedacht hast. “

Meine Fans wollten ihn fortscheuchen: „Kannst ja gehn, wenn du nicht zuhören willst! Ob’s die Wahrheit ist oder ausgedacht, braucht dich nicht zu kümmern! Es muss sich nur gut anhören. Was redest du so geschwollen herum? “, und sie wandelten einen örtlichen Knittelvers auf „Vier Krumme “ ab: „Brunnenkurbel, Bohnensprossen, krumme Nadel, Liu Lusen “.

Einmal hatte ich mein tägliches Stück zu Ende gelesen, und sie saßen da noch, ließen die Worte schweigend nachklingen.

Da fing Liu Lusen an, folgendes Gedicht aufzusagen:

„Mir haben Spinnweben gleichgültig den Ofen versiegelt,
sein Rauch ist seufzend im Elend der Asche verweht;
stur stampfe ich weiter die Schlacken der Hoffnung glatt,
schreib mit der Schneeflocken Schönheit darauf,
dass die Zukunft besteht.…. “[4]

Als er schwieg, redete alles durcheinander:

„Nicht schlecht, krumme Nadel, du hast was drauf, hast du das selber geschrieben? “

Er sagte langsam und bedächtig: „Die sperren euch hier ein, damit ihr verblödet. Das ist der „Glaube an die Zukunft “ von dem berühmten Dichter Guo Lusheng. Ihr seid hier wirklich Frösche auf dem Brunnenboden, kapiert nichts und habt von nichts eine Ahnung. “

Das stimmte auch. Ich wusste wirklich nicht, dass Guo Lusheng draußen dies Gedicht geschrieben hatte. Ich wusste auch nicht, dass Gan Huili draußen einen Roman geschrieben hatte, „Die Zeit, als die Lotusblüten freigegeben wurden “. Schon gar nicht wusste ich, dass in Baiyangdian[5] eine ganze Gruppe junger Schriftsteller auf den Plan getreten war.

Meine siebziger Jahre verquakte ich, von der Welt geschieden, in meiner Pfütze auf dem Brunnenboden zusammen mit anderen noch kleineren Fröschen. Ich weiß nicht, ob man das zu den unterirdischen Rinnsalen der Literatur der Siebziger rechnen soll, ich weiß nicht, ob man das überhaupt als Literatur ansehen kann. Für uns war es auch unwichtig, als was man das ansehen konnte. Wir freuten uns an unserem kleinen Quaken, und das half uns, die langen Jahre hinter Gittern zu überstehen.

Die siebziger Jahre waren der ruhige Horizont meines Lebens.

[1]    Das ist der Sinn der chinesischen Übersetzung der ersten Worte („Would God I were… “) des üblichen Textes zu „Londonderry “.
[2]    Anspielung auf ein Gedicht von Cui Hao (gest. 754): „Der Alte ritt auf gelbem Kranich fort, hier blieb nur leer der Turm des Gelben Kranichs./ Der gelbe Kranich einmal fortgeflogen kehrt nicht wieder, / Jahrtausende ziehn weiße Wolken in die leere Ferne… “ 昔人已乘黄鹤去, 此地空余黄鹤楼。 黄鹤一去不复返, 白云千载空悠悠。 … Der Gelbe-Kranich-Turm steht in Wuhan, ein zerlumpter Vagabund, in Wahrheit ein Unsterblicher, dankbar für Wein, der ihm dort freigiebig ausgeschenkt wurde, malte ein schönes Bild an die Wand, flog aber schließlich auf einem gelben Kranich davon und kehrte nie zurück.
[3]    Gemeint ist das vorher schon erwähnte „Heimatlied “.
[4]    Vollständiger Text siehe unter V.1.
[5]    Damals eine arme Gegend im Zentrum von Hebei, in deren Dörfer viele „junge Intellektuelle” verschickt worden waren, so die heute als Baiyangdian-Gruppe bekannten Dichter, u.a. Duoduo und Beidao (deutsch Duoduo: Neue Sirene 3 (1995); Beidao: Notizen vom Sonnenstaat, 1991; Post Bellum, 2001; Das Buch der Niederlage, 2009; alle bei Hanser, übersetzt von W. Kubin).

 
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