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Revolutionäre Jugend |
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Zhang Langlang wurde 1943 in Yan’an geboren. Dort hatte Mao während des 2. Weltkriegs sein Hauptquartier. Zhangs Vater Zhang Ding (1917–2010), Maler und Kalligraph, unterrichtete in Yan’an an der Kunstakademie; seine Mutter, Chen Buwen (1920–1985), hochgebildete Essayistin, war damals Sekretärin der Parteiführer Zhou Enlai und Li Lisan, trat aber selbst nie in die Partei ein. 1949 errangen die Kommunisten im ganzen Land die Macht, die Zhangs zogen nach Peking, der Vater entwarf das Staatswappen der Volksrepublik. Zhang Langlang ging auf das Elitegymnasium Nr.101 und organisierte danach einen von seiner Mutter stark geprägten literarischen Salon, die „Sonnentruppe “, wurde deshalb 1968 verhaftet, am 5.3.1970 zum Tode verurteilt, wenig später auf Bewährung begnadigt, 1977 freigelassen, ging ins Ausland und lebt heute als Schriftsteller und Maler in den USA. Er berichtet hier seine eigene Geschichte. Sein jüngerer Bruder Zhang Liaoliao, geboren 1952 in Peking, Autor, Maler und Zeichner, lebt in Peking; er gab u.a. ab 1975 die unter Freunden handschriftlich verbreitete „Brücke “ mit Gedichten und Novellen junger Autoren heraus (insgesamt 16 Nummern), ein Licht im Dunkel der Angst und für die Entwicklung neuer Literatur von großer Bedeutung. „Wir sind nicht schuld “ war das erste seiner Gedichte, das in einer offiziellen Zeitschrift gedruckt wurde. Es erregte großes Aufsehen; eine Übersetzung erschien alsbald in der UdSSR. „Lao Li “, eigentlich Li Zhilin, wurde 1950 geboren, sein Vater war ein berühmter Portraitmaler, seine Mutter Anglistik-Professorin an der Qinghua-Universität in Peking. Auch Li ging auf das Gymnasium Nr. 101. Er lebt in Peking. Er berichtet von seiner Freundin Wu Xiaoyan, die wieder mit ihren geliebten, in der Kulturrevolution umgekommenen Eltern vereint sein wollte. „Jiang Wanzhu “ berichtet über Guo Shiying, im Gymnasium Klassenkamerad von Zhang Langlang. „Jiang Wanzhu” ist ein Pseudonym; näher dazu die Vorbemerkung zu ihrem Bericht. Guo Lusheng beschreibt hier sein Leben nicht selbst, darum ist über ihn ausführlicher zu berichten. 1948 „lusheng “, d.h. „unterwegs geboren “, auf dem Marsch der kommunistischen Truppe seiner Eltern, bleibt er die ersten drei Jahre seines Lebens bei einer Tante auf dem Dorf. 1954 wird der Vater Ministerialbeamter, die Mutter Direktorin einer Grundschule in Peking; sie führt den Jungen in Chinas klassische Lyrik ein. 1964 lernt der 15jährige über einen Mitschüler Guo Shiying und Zhang Langlang kennen und wird jüngstes Mitglied von Langlangs „Sonnentruppe “. Er liest, was er nur in die Finger bekommt, von Puschkin und Majakowski über Jane Austens Roman Stolz und Vorurteil bis zu Byron und vor allem Jevtuschenko, und beginnt, an einem großen eigenen Gedicht zu arbeiten. In der Schule verweigert er einen Vortrag für eine Kampagne gegen den sowjetischen Revisionismus und meint, als der Klassenkampf besprochen wird, Frankreichs kulturelle Blüte beruhe auf seiner Gesellschaftsordnung. All das kommt in seine Schülerakte, er gilt als „fragwürdig “. In der Kulturrevolution wird 1966 wie viele Beamte auch der Vater „überprüft” , der fragwürdige Poet als kapitalistischer Romantiker und Petöfi-Klubbist angegriffen. (Schriftsteller des Petöfi-Klubs waren 1956 wichtige Akteure des Ungarn-Aufstands.) Vorsichtshalber beseitigt die Mutter daheim alle Literatur, wütend zertrümmert Lusheng auch alle Glühbirnen, die Familie sitzt im Dunkeln. Mitgerissen aber von der revolutionären Begeisterung dieser Tage, reist er beim „Erfahrungsaustausch der Roten Garden “ durchs ganze Land, schreibt revolutionäre Lieder (denn „der Dichter braucht sein Publikum… muß sein Fähnchen nach dem Winde hängen “), traurige Liebeslyrik für die Tochter eines uigurischen Parteiführers, der ihr diesen Freund verbat, und ein Stück über den Aufmarsch Roter Garden vor dem Großen Führer. He Jingjie, Mitglied der Rotgardistentruppe, die es aufführt, bringt ihn 1967 zu ihrem Vater He Qifang. In den 1930ern berühmter Dichter, nach 1949 Kritiker Hu Fengs[1] Sekretär des Schriftstellerverbands usw., muß He nun als „schwarzer Reaktionär” verfemt tagsüber öffentliche Aborte reinigen, freut sich sehr über den Besuch des jungen Kollegen und lehrt ihn abends Poetik. Doch die Sonnentruppe wird verfolgt, Zhang Langlang verhaftet; He Jingzhi, Mitverfasser des „Weißhaarigen Mädchens “, eines der acht „Musterstücke “, die allein damals aufgeführt werden durften, stellvertretender Propagandachef der Partei, preist zwar Lushengs revolutionäre Lyrik, ermahnt ihn aber, nicht mehr solches Zeug wie Gedichte auf Liebe, Wein und Zigaretten zu schreiben und sich ernsthaft mit Politik zu befassen. Lusheng winkt ab. Ende 1967 schreibt er ein langes Gedicht über Fischbrut, die unter dichtem Eis im Dunkeln dahintreibt, ohne zu ahnen, was sie erwartet, zurückgeworfen bei jedem Flossenschlag zum Licht. Ihre Mutter, die Sonne, durchschmilzt endlich das Eis und ruft, sie springen ihr entgegen, „opfern sich der Hoffnung “, fallen auf eine Eisscholle, die Mutter wendet sich ab, zuletzt bleibt nur „ein Haufen Gräten, Stoff für Gedanken, im grünen Grab meiner Seele “.[2] – Eine Zeile Zhang Langlangs nimmt er zum Titel des hier übersetzten „Glaube an die Zukunft “. Ungedruckt verbreitet sich das Gedicht des Neunzehnjährigen sogleich in unzähligen Abschriften im ganzen Land, wurde zum Lied der „jungen Intellektuellen “, Guo wird Vorbild heute berühmter Dichter wie Beidao und Duoduo; Maos Frau Jiang Qing tadelt, wer an die Zukunft glaube, lehne die Gegenwart ab; Guo sei ein „aschfarbener “ Dichter. Der erhofft revolutionäre Erneuerung von den Bauern, verlässt Peking („pötzlich schmerzt mir die Brust, gewiß weil / Mutter mir noch einen Knopf angenäht hat, mit dem Faden durchs Herz “) und fährt mit 21 Kameraden aufs Dorf, zwei Tage bevor Mao das allen Ober- und Hochschülern befiehlt, arbeitet tagsüber hart auf dem Feld und liest abends den anderen seine Werke vor, selbst der Dorfchef wird zum Fan, aus ganz China kommen Briefe und Bewunderer, bitten um Gedichte; auch die Mutter besucht ihn. Ein Jahr – es ist sein zwanzigstes Lebensjahr – hält er auf dem Land durch, schreibt und schreibt (nicht mehr so fragwürdig: „diese unsere Generation sieht klar / Mao Zedongs Fahne wehn “), wird dann, vielleicht mit Hilfe der Eltern, Arbeiter in einer Pekinger Fabrik und 1971 sogar in die Armee aufgenommen, dient am Meer, besingt das Soldatenleben („Der neue Soldat “, „Lied der Nachrichtentechniker “), ist bei den Kameraden beliebt – versinkt in Schwermut, „sondert sich völlig ab, lebt nur noch von Zigarettenrauch “, berichtet sein Bruder nach einem Besuch. Anfang 1973 verläßt er die Armee, kommt in die Stadt zurück, findet Arbeit im „Institut für Photovoltaik” , geht ins Krankenhaus, Diagnose: Schizophrenie. „Ich bin verrückt geworden “, sagt er ein Vierteljahrhundert später, „und das ist gut. Verrückt kann man dem Schicksal gegenübertreten. Schlecht, wenn man das nicht tut, wie dieser, wie heißt er, Xu Gang, schreibt revolutionäre Gedichte. Revolutionäre Gedichte hab’ ich auch geschrieben, ‘Diese unsere Generation’, ‘Die Yangtse-Brücke von Nanking’ … qualvoll. Du schreibst nicht dich selbst, das ist außerhalb von dir … Wer dem Schicksal gegenübertritt, schaut sich selbst ins Auge. “ 1975 als geheilt entlassen, heiratet er die Tochter des 1967 im Gefängnis umgekommenen Parteiführers Li Lisan und dessen eben freigekommener russischen Frau. 1979 wird er erstmals gedruckt, 1980 erscheint der hier übersetzte „Tolle Hund “. 1982 geschieden, kommt er bald erneut in die Psychiatrie, wird zeitweise von der Mutter versorgt, bis sie 1990 stirbt, lebt dann in einem Raum von 14 qm mit vier anderen Kranken, mag nicht wie diese ständig fernsehen, stürzt sich in körperliche Arbeit wie vorher auf dem Dorf, putzt, wäscht ab, kann aber kaum schreiben: dazu muss er allein sein, möglichst nachts, und rauchen; doch abends wird das Licht gelöscht, jede Zigarette müssen die Kranken sich vom Arzt anzünden lassen. Dennoch entstehen viele ergreifende Gedichte. Vielen gilt er als Chinas größter lebender Dichter. Er wäre gern Astronom geworden.
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