Am Fluss Roman von Pak T'aewon [Bak Taewon] |
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Aus dem Koreanischen von Kyunghee Park und Matthias Augustin |
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Reihe Phönixfeder 16 |
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Die Gegend entlang des Ch’ônggye-Flusses, der durch das Zentrum von Seoul fließt, bildet gleichsam die Bühne, auf der sich die Handlung des Romans Ch'ŏnbyŏn P'unggyŏng 천변풍경 (川邊風景) von Pak T’aewôn vollzieht. In einer Folge von 50 voneinander unabhängigen Episoden, die sich bisweilen miteinander überkreuzen und verbinden, kommen Personen aus allen Schichten der Gesellschaft zum Auftritt. Manche begegnen dem Leser immer wieder und führen die in Kapiteln zuvor begonnenen Handlungsstränge fort, viele von ihnen aber finden nur einmal Erwähnung, um dann im Räderwerk der Großstadt unterzugehen. Trotz der scheinbar objektiven Perspektive des camera eye, aus der Pak seine Figuren beobachtet, steht er diesen keinesfalls gleichgültig gegenüber. Seine Sympathie gehört den Schwachen und Unterprivilegierten, die sich, bei allen Freiheiten und Möglichkeiten, die die Modernisierung des Landes mit sich bringt, mit den Ungerechtigkeiten eines unbarmherzigen Materialismus konfrontiert sehen und ihre eigenen Überlebensstrategien entwickeln müssen. Mit kritischem Blick betrachtet T’aewôn die Mächtigen und Wohlhabenden, die Amtsinhaber und Emporkömmlinge, wobei diese Kritik eine vorsichtige, mit leisem Spott und Ironie geäußerte ist, in den Grenzen der in Korea damals herrschenden strengen Medienzensur durch die japanischen Kolonialherren. Dieser Roman steht für eine im Korea der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts neu entstehende Literatur, die das Großstadtleben zu ihrem Thema macht. Durch die Anwendung modernistischer Techniken, die sicher nicht zufällig an James Joyces Darstellungsweise von Dublin erinnern, gelingt Pak ein faszinierendes Kaleidoskop städtischen Lebens im Seoul der 1930er Jahre, im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. |
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Pak T’aewôn [Pak T'aewŏn] 박태원 (朴泰遠), geboren 1909 in Seoul als Sohn eines Apothekers, las schon früh zahlreiche Werke ausländischer Autoren. Am Fluss erschien 1936 zunächst in Fortsetzungen in der Literaturzeitschrift Chogwang, 1938 als Buch. Nach Ausbruch des Koreakriegs 1950 ging er, ebenso wie viele andere sozialkritische koreanische Schriftsteller, in den Norden, die Familie blieb in Seoul zurück. Nach dem Ende des Koreakriegs trat Pak 1953 eine Professur an der Universität P’yôngyang an, verlor diese jedoch aufgrund seiner ehemaligen Zugehörigkeit zur Arbeiterpartei Südkoreas kurz darauf wieder und wurde für mehrere Jahre mit einem Schreibverbot belegt. 1986 starb Pak T’aewôn in P’yôngyang. In Südkorea stand Pak über Jahrzehnte auf der Liste der verbotenen Autoren. Erst Ende der achtziger Jahre setzte auch dort eine lebhafte Rezeption und kritische Auseinandersetzung mit seinem Werk ein. Am Fluss ist das erste seiner Bücher, das nun auch in deutscher Sprache vorliegt. |
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Nachwort von Matthias Augustin Der Roman Ch’ŏnbyŏn P’unggyŏng (wörtlich „Skizzen vom Flussufer“, hier übersetzt unter dem Titel „Am Fluss“) des Autors Pak T’aewŏn (1909–1986) steht stellvertretend für eine im Korea der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts neu entstehende, urban geprägte Literatur. In fünfzig Kapiteln entwirft der Autor ein faszinierendes Panorama „seiner“ Stadt Seoul (damals, unter japanischer Kolonialherrschaft stehend, Kyŏngsŏng genannt) im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. Als Ausgangspunkt für seine Beobachtungen und Schilderungen dient ihm das Gebiet entlang des Flusses Ch’ŏnggyech’ŏn, eine Gegend, die ihm seit Kindertagen vertraut ist. Die Handlung des Romans beginnt an einem Tag im Frühjahr und endet um dieselbe Zeit des folgenden Jahres. Dabei verzichtet Pak T’aewŏn sowohl auf einen festen Plot wie auch auf Hauptfiguren und bringt stattdessen in voneinander unabhängigen Episoden, die sich bisweilen miteinander überkreuzen und verbinden, Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft zum Auftritt: Geschäftsleute und Gelegenheitsarbeiter, Bürgerdamen und Barmädchen, Schmuckhändler und Bettler. Zwar begegnen einige der Figuren – wie etwa der aufgeweckte Friseurjunge Chaebong, die verwirrte Bauerntochter Kŭmsun, der erfolglose Politiker Min und seine ausgefuchste Nebenfrau, der gutmütige Tuchhändler mit der Melone auf dem Kopf, der gerechtigkeitsliebende Kastanienverkäufer Chŏmnyong und seine schwatzhafte Mutter – dem Leser immer wieder und führen die in Kapiteln zuvor begonnenen Handlungsstränge fort, viele von ihnen aber finden nur einmal Erwähnung, um dann im Räderwerk der Großstadt unterzugehen. Dieses Fehlen von Hauptfiguren, Handlungshöhepunkten und klaren Konfliktlösungen liest sich als Hinweis darauf, wie wenig der Einzelne dem Sog dieser turbulenten Zeit entgegenzusetzen hat, dass sein Leben und sein Kampf um Geld, Macht, Liebe, Anerkennung oder auch nur das blanke Überleben mehr oder weniger so weitergehen wird wie bisher. Trotz der scheinbar objektiven Perspektive des camera eye, aus der Pak seine Figuren beobachtet, steht er seinen Figuren keinesfalls gleichgültig gegenüber. Seine Sympathie gehört den Schwachen und Unterprivilegierten, die sich, bei allen Freiheiten und Möglichkeiten, die die Modernisierung des Landes mit sich bringt, mit den Ungerechtigkeiten eines unbarmherzigen Materialismus konfrontiert sehen und ihre eigenen Überlebensstrategien entwickeln müssen. Mit kritischem Blick betrachtet Pak die Mächtigen und Wohlhabenden, die Amtsinhaber und Emporkömmlinge, wobei diese Kritik eine vorsichtige, mit leisem Spott und Ironie geäußerte ist, in den Grenzen der in Korea damals herrschenden strengen Medienzensur durch die japanischen Kolonialherren. Gleichzeitig ist in Ch’ŏnbyŏn P’unggyŏng die Faszination spürbar, die die Großstadt auf Pak ausübt – als nach 1900 Geborener gehört er zur ersten Generation, die den rapiden Umbruch von einer traditionellen Gesellschaft in die Moderne von klein auf erlebt hat. Häuser traditioneller Bauart, konfuzianische Sitten und Gebräuche, die seit Jahrhunderten kaum veränderten Kleider der einzelnen Gesellschaftsstände kontrastieren mit Novitäten, die der vorhergehenden Generation noch unbekannt gewesen waren: Mehrstöckige Gebäude westlichen Stils, Straßenbahnen, Bars, Billardklubs, Kaufhäuser und Kinos geben dem Stadtbild ein völlig neues Gesicht, in den bürgerlichen Wohnzimmern stehen Radios und Grammophone, Männer tragen bowler hats und Knickerbockers. Pak skizziert knapp, aber überaus anschaulich, wie das Seoul der dreißiger Jahre ausgesehen hat. Stilistisch gesehen bedient sich Pak T’aewŏn in Ch’ŏnbyŏn P’unggyŏng bewusst einer naturalistischen Herangehensweise, nachdem in seiner 1934 erschienenen Novelle Sosŏlga Kubo Ssi ŭi iril (Ein Tag im Leben des Schriftstellers Kubo) modernistische Erzähltechniken Anwendung fanden, die an James Joyce erinnern, so zum Beispiel das Verfahren des stream of consciousness, bei dem in ungeordneter Folge Bewusstseinsinhalte einer oder mehrerer Figuren wiedergegeben werden. Tatsächlich waren Pak dessen Dubliners und Ulysses wohl nicht unbekannt. Der nähere Vergleich von Paks beiden bekanntesten Werken mit Joyce und ihrer Herangehensweisen an das Sujet Großstadt - noch dazu, da es sich sowohl bei Joyces Dublin wie auch bei Paks Seoul um Städte unter kolonialer Herrschaft handelt – böte daher sicherlich interessante Einsichten. Pak T’aewŏn wird am 6. Januar 1909 als zweiter Sohn einer mittelständischen, aufgeklärten Familie in Seoul geboren. Sein Vater ist Besitzer einer Apotheke für westliche Medizin. Schon früh beginnt sich Pak für Literatur zu interessieren. Er liest unter anderem Gorki, Turgenjew, Tolstoi, Hugo, Maupassant und Heine. Als Schüler veröffentlicht er erste Gedichte und Kritiken. Literarische Anleitung erhält er durch Privatstunden bei dem Schriftsteller Yi Kwangsu (1892–1950), der als Verfasser des ersten modernen koreanischen Romans, Mujŏng (Herzlos, 1917), angesehen wird. Neben der Literatur gilt sein Interesse auch der Medizin. Fachwissen, das er sich von seinem Onkel, einem Arzt, aneignet, findet in vielen seiner späteren Werke Verwendung. Nach dem Abschluss der Oberschule nimmt er 1930 ein Studium an der Hōsei-Universität in Tokyo auf, wo er in regem Kontakt zu japanischen und koreanischen Künstlern und Intellektuellen steht und vielfältige Impulse aus moderner Literatur und Film erhält. Zurück in Korea, widmet sich Pak völlig seiner schriftstellerischen Arbeit. 1933 tritt er der Schriftstellergruppe Kuinhoe (Gruppe der Neun) bei, der Autoren wie Yi T’aejun, Chŏng Chiyŏng, Kim Kirim, Yi Hyosŏk, Cho Yongman und Yi Sang angehören. Im Jahr darauf erscheint seine modernistische Erzählung Sosŏlga Kubo Ssi ŭi iril (Ein Tag im Leben des Schriftstellers Kubo). Er heiratet die Grundschullehrerin Kim Chŏng’ae. 1936 wird die erste Tochter, Sŏlyŏng, geboren, 1938 das zweite Kind, ebenfalls eine Tochter, Soyŏng. Im selben Jahr erscheinen die zuvor in Fortsetzungen veröffentlichten Werke Ch’ŏnbyŏn P’unggyŏng und Sosŏlga Kubo Ssi ŭi iril in Buchform. 1939 wird Sohn Ilyŏng geboren, 1942 folgt Sohn Chaeyŏng. 1945 endet die Herrschaft der Japaner in Korea. Die koreanische Halbinsel steht nunmehr im Norden unter sowjetischer, im Süden unter US-amerikanischer Besatzung. Pak tritt der 1946 gegründeten Arbeiterpartei Südkoreas (Namchosŏn Rodongdang) bei. In seiner schriftstellerischen Arbeit wendet er sich zunehmend historischen Stoffen, wie der Saga um den „koreanischen Robin Hood“ Hong Kildong, zu. 1950 bricht der Koreakrieg aus. Pak geht in den Norden, die Familie bleibt in Seoul zurück. Während des Krieges betätigt sich Pak vermutlich als Kriegsberichterstatter, sichere Belege dafür existieren allerdings nicht. 1953, nach dem Ende des Krieges, tritt Pak eine Professur an der Universität P’yŏngyang an. Drei Jahre später verliert er diese aufgrund seiner ehemaligen Zugehörigkeit zur Arbeiterpartei Südkoreas wieder und wird mit einem Schreibverbot belegt. Unterschiedlichen Informationen zufolge arbeitet Pak in den folgenden Jahren entweder in einem landwirtschaftlichen Kombinat oder als Leiter einer Dorfschule. 1960 wird das Schreibverbot aufgehoben, Pak beginnt mit der Niederschrift seines Romans Kabonongmin Chŏnjaeng, einem Werk, das den Tonghak-Aufstand (1893–1895) zum Inhalt hat, eine religiös und politisch motivierte Bewegung, die sich für soziale Reformen und gegen den Einfluss ausländischer Mächte in Korea einsetzt. Material für diesen Roman hat er bereits Jahre davor zu sammeln begonnen. Im Alter von siebenundfünfzig Jahren verliert Pak sein Augenlicht; von 1975 an ist er nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen. Den letzten Teil seines großen historischen Romans diktiert er zur Niederschrift. Am 10. Oktober 1986 stirbt Pak T’aewŏn im Alter von achtundsiebzig Jahren, nach einem wechselvollen Leben, in dem sich die dramatische Geschichte Koreas im zwanzigsten Jahrhundert widerspiegelt. In Südkorea stand Pak T’aewŏn über Jahrzehnte auf der Liste der verbotenen Autoren. Erst mit dem Ende des Publikationsverbots Ende der achtziger Jahre setzte eine lebhafte Rezeption und kritische Auseinandersetzung mit seinem facettenreichen Werk ein. Ein Teil davon liegt inzwischen in Übersetzungen vor, unter anderem in Englisch, Polnisch, Japanisch und Chinesisch, und mit dem vorliegenden Band nun auch erstmals in deutscher Sprache. Am Ende ging Ibbŭni dann doch zu ihrer Mutter zurück, wobei sie das Haus der Schwiegereltern nicht etwa freiwillig verließ – ihr Mann verstieß sie. Als Grund führte Kang, der nicht ein Fünkchen echter Zuneigung für seine Ehefrau besaß, einen Satz an, den Chŏmnyong an jenem Abend im Restaurant Kŭnhwa gesagt hatte: „Wenn ich mitbekomme, dass der Kerl Ibbŭni auch nur ein einziges Mal schlecht behandelt, dann hau ich ihn tot…“. Er hatte damals so viele Schläge eingesteckt, dass er nicht zur Arbeit gehen konnte, und nachdem er drei Tage lang in seinem Bett gelegen und vor sich hingebrütet hatte, verprügelte er Ibbŭni dermaßen, dass sie fünf Tage lang krank war. Kang hatte sich erinnert, dass er das Gesicht des Kerls vorher schon öfter gesehen hatte, eindeutig handelte es sich um den jungen Mann, der am Tag der Hochzeit zusammen mit Yongdol im Hof von Ibbŭnis Haus einen Schnaps getrunken und dann geholfen hatte, die Aussteuer der Braut in ihr neues Zuhause zu tragen, denselben, der den ganzen Sommer hindurch an der Breiten Brücke gestanden und Eiskrem verkauft hatte, und er fragte sich: Was hat der Kerl nur für einen Grund, sich wie ein Verrückter auf Leute zu stürzen und sie halbtot zu schlagen… Aus Chŏmnyongs Drohung, kombiniert mit der Tatsache, dass er aus demselben Viertel kam wie Ibbŭni, konstruierte Kang für sich den Schluss zurecht, dass womöglich irgendeine Beziehung zwischen den beiden bestand, von der er nichts wusste. Natürlich war es für Ibbŭni absolut nicht nachzuvollziehen, weshalb sie ohne jede Schuld so von ihrem Mann geschlagen worden war. Streng genommen ließ sich die unmittelbare Verantwortung dafür ja sogar bei Chŏmnyong suchen, doch wenn man bedachte, dass Ibbŭni kein einziger glücklicher Tag im Zusammenleben mit ihrem Mann vergönnt gewesen war, dann war es vermutlich eine glückliche Fügung, dass die Trennung nun dadurch so schnell vollzogen werden konnte. Die einsame Mutter unternahm dieses Mal nichts, um Ibbŭni zu ihrem Mann zurückzuschicken. Am folgenden Tag bat sie die Mutter von P’ilwŏn, die Sachen ihrer Tochter abholen zu lassen. Da die Frauen im Viertel genau wussten, wie schlimm es Ibbŭni bei ihrem Mann ergangen war, teilten auch alle die Ansicht, dass die Trennung für das Mädchen eine Erleichterung war, besser allemal, als sich weiter zu quälen. Ibbŭni nahm das alte Leben wieder auf, das sie vor der Hochzeit geführt hatte, genau wie früher ging sie ihrer Mutter zur Hand, kochte und nähte. Sie genoss es, bei der so lange vermissten Mutter sein zu können, und diese konnte nun endlich wieder leben, ohne aus Sorge um ihre Tochter krank zu werden. Und die Frauen im Viertel mussten sich nun nicht mehr wie vorher über das traurige Los der zwischen ihrer grausamen Schwiegermutter und dem lieblosen Ehemann eingesperrten Ibbŭni und die verzweifelte Lage der um ihr Kind besorgten Mutter aufregen und sich in Beschimpfungen über die Familie Kang ergehen. Chŏmnyong hatte seine Besuche im Kŭnhwa-Restaurant eingestellt und kümmerte sich nur noch um sein Geschäft. Selbst an Abenden, wenn es schneite, stand er an der Breiten Brücke, schürte den Maroni-Ofen und pries aus Leibeskräften seine Ware an: „Esskastanien, frisch geröstete Esskastanien!“, und als seine Mutter ihn eines Tages mit der Frage überfiel: „Triffst du dich eigentlich noch mit diesem Mädel? Du weißt schon, die Kurzhaarige“, da gab er mit unbewegter Miene zurück: „Nee, mit der ist Schluss.“ Tatsächlich war das Mädchen namens Shizuko auch schon gar nicht mehr in Seoul. Als das Restaurant den Besitzer wechselte, ging sie fort, jemand sagte, sie arbeite nun in einer Bar in Wŏnsan, aber Genaues wusste niemand. Der Mann vom Lande hatte sich schlussendlich „mit der vertrauten Axt in den eigenen Fuß gehauen“, wie man so schön sagt, und das Lokal für siebenhundertfünfzig Wŏn übernommen und verdiente damit seither mehr schlecht als recht seinen Lebensunterhalt. Manche behaupteten, die Gäste blieben aus, seit Shizuko nicht mehr da war; Chŏmnyong allerdings konnte schwerlich beurteilen, wie die Geschäfte liefen, da er seitdem keinen Fuß mehr in das Lokal gesetzt hatte. Auch Yongdol verbrachte die Zeit nicht mit Müßiggang. Von Natur aus robust gebaut, besaß er ein außergewöhnliches Talent als Boxer, und obwohl er erst vor einem knappen Jahr begonnen hatte zu trainieren, galt er in seinem Klub jetzt schon als vielversprechender Newcomer. Und mit dem Ziel vor Augen, bei der ersten Meisterschaftsrunde des neuen Jahres im Weltergewicht den ersten Platz zu gewinnen, ging er täglich zum Training und absolvierte ein rigoroses Übungsprogramm. Chaebong, der gewitzte Friseurjunge, fand inzwischen die Arbeit seines Freundes Ch’angsu, der, obwohl jünger als er und noch dazu vom Dorf, sich im Billardklub die Zeit vertrieb und dafür ganze zehn Wŏn im Monat kassierte, gar nicht mehr so beneidenswert; auch wenn er ständig mit dem jungen Friseur Kim aneinandergeriet, blieb er seiner Arbeitsstelle treu. Mit Herrenfrisuren westlichen Stils hatte er zwar noch keine Erfahrung, aber er war darin geübt, mit der Maschine Haare zu stutzen, und das Rasieren beherrschte er geradezu meisterlich, so dass er die demnächst anstehende Friseurprüfung ohne Weiteres bestehen würde, so die Meinung des Chefs. Eines Tages hörte Chaebong vom Flussufer her plötzlich lautes Kinderlachen, rannte eilig zur Tür und sah hinaus. Kaum hatte er hinter der Menge der Kinder den Tuchhändler entdeckt, der in seinem Invernessmantel, aber baren Hauptes genau wie sie nach unten in den Fluss starrte, begannen seine Augen lustig zu zwinkern, und im nächsten Moment rannte er, von Neugier getrieben, hinaus. Was er sich so lange erhofft hatte, war endlich wahr geworden: Der Wind hatte sich genau den richtigen Zeitpunkt ausgesucht, da die dünne Eisschicht, die am frühen Morgen noch den Fluss bedeckt hatte, geschmolzen war, und dem Tuchhändler die verflixte Melone vom Kopf gerissen und ins Wasser geweht. Der Bettler mit der Brandnarbe im Gesicht war hurtig unter der Brücke hervorgesprungen und hatte die Melone wieder herausgefischt, aber man brauchte sie nicht erst an die Nase zu halten, um zu wissen, wie sehr sie nach der dunklen Jauchebrühe stinken musste, die von der Krempe herabtroff. Der Tuchhändler schien zuerst zu zögern, dann hob er seinen Kopf und sah sich um, und als sein Blick die Augen der inzwischen zusammengelaufenen Zuschauer traf, errötete er und bemühte sich dann rasch um eine ernste Miene, um seine beschädigte Würde wiederherzustellen; schließlich ließ auch er den Hut Hut sein und trat, begleitet von einem lauten Husten, den Heimweg an. „He, du da, hast du mitgekriegt, wie es passiert ist? Ja? War es der Wind?“ Chaebong fand es höchst bedauerlich, dass er nicht selbst Zeuge des Vorfalls gewesen war. „Siehst du, jetzt hat der Herr seinen Hut ruiniert, genau wie du’s die ganze Zeit herbeigebetet hast!“, ereiferte sich Chŏmnyongs Mutter, die hinter ihm stand. Dann sagte sie zu sich selbst: „Wenn man sich etwas nur fest genug wünscht… Aber warum fällt dann das Los von dem verfluchten Sparklub nicht endlich mal auf mich?“ Sie war auch heute wieder auf dem Weg zu dem Sparverein an der Sup’yo-Brücke, dessen „Kreiselkasse“ sich drehte und drehte und doch nie bei ihr stehenblieb, um ihren Beitrag zu entrichten. Die Gruppe von Leuten blieb noch eine ganze Weile so stehen, bevor sie sich auflöste, und verfolgte amüsiert das Treiben des Bettlers, der mit der aus der Form geratenen Melone auf dem Kopf aus lauter Spaß an der Freude eine Imitation von Charlie Chaplin darbot. Übermorgen war Frühlingsbeginn, vielleicht kamen denjenigen, die das wussten, die mittäglichen Sonnenstrahlen deshalb so warm vor. |
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