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Dispute zwischen Daoisten und Buddhisten im Fo Dao lunheng  佛道論衡 des Daoxuan 道宣 (596–667)

   

Übersetzt und mit einer Einführung versehen von Friederike Assandri

 
   

Bibliothek der Tang und Song 5
OSTASIEN Verlag
Paperback (23,0 x 15,0 cm), vi + 261 Seiten
2015. € 32,80
ISBN-13: 978-3-940527-61-5 (978-3940527615, 9783940527615) ISBN-10: 3-940527-61-0 (3940527610) Dispute zwischen Daoisten und Buddhisten im Fo Dao lunheng des Daoxuan (596–667)
Vertrieb: CHINA Buchservice / Bestellen

 
   

Daoxuan (596–667), der Autor des Ji gujin Fo Dao lunheng, war zur Zeit der frühen Tang Dynastie in der Hauptstadt Chang’an aktiv an den lebhaften Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Daoisten seiner Zeit beteiligt. Im dritten und vierten Kapitel dieses Werkes hat er detaillierte Berichte von Hofdebatten zwischen Buddhisten und Daoisten, die im Kontext dieser Auseinandersetzungen entstanden, überliefert.

Damit ist dieses Werk ein einzigartiges Dokument, das uns Einblick gewährt in eine für die intellektuelle Entwicklung Chinas bedeutsame, aber nur selten in schriftlicher Form festgehaltene Institution, nämlich die Veranstaltung mündlicher Debatten. Von diffiziler Logik und komplexer Scholastik bis zu grober Polemik, von formalisierten Lobreden bis zu improvisierten Spottversen liefern diese Berichte ein vielschichtiges und anschauliches Bild von der Interaktion von Buddhisten und Daoisten im Geistesleben der Tang-Zeit.

Die Autorin stellt die von ihr übersetzten, zweisprachig wiedergegebenen neun Debatten in den Zusammenhang der höfischen Streitkultur der frühen Tang-Zeit. In ihrer textbegleitenden Analyse arbeitet sie detailliert die Argumentationsstrategien der Redenführer heraus. Ein Anhang enthält Übersetzungen und Erläuterungen zur buddhistischen Eristik.

Friederike Assandri, geboren 1964 in Heidelberg, studierte Sinologie und indische Religionsgeschichte in Heidelberg und Nanjing. Sie promovierte 2002 in Heidelberg über die Debatten in Daoxuans Ji gujin Fo dao lunheng. Seitdem forscht und publiziert sie zu Themen im Bereich der Interaktion von Buddhismus und Daoismus und der Entwicklung des mittelalterlichen Daoismus.

 
   
   
   
Inhalt [PDF]  
     
Einführung    
     
 Die Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Daoisten vor der Tang-Zeit    
  Die Auseinandersetzungen um die Huahu-Theorie    
  Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Daoisten in der Elite des Südens    
  Buddhismus und Daoismus im Norden    
 Debattenkultur im Kontext der Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Daoisten    
  Qingtan – das „reine Gespräch“    
  Buddhistische Debattenkultur    
  Die Regeln der Debatte nach der buddhistischen Theorie    
  Exkurs: Über den zhuwei    
 Die Institutionalisierung der religiösen Debatte am Kaiserhof    
  Die Debatten an den Kaiserhöfen des Südens    
  Die Debatten an den Kaiserhöfen der Norddynastien    
 Die frühe Tang-Zeit: Historischer Kontext    
  Religionspolitik und Legitimationsstrategien    
  Gaozu    
  Taizong    
  Gaozong    
 Die Teilnehmer der Debatten    
  Die Daoisten    
  Die Buddhisten    
     
Übersetzung ausgewählter Debatten aus dem Fo Dao lunheng    
 Vorbemerkung    
 Ji gujin Fo Dao lunheng, Kapitel 3:    
  1. Die Debatte anlässlich des Shidian-Opfers in der kaiserlichen Akademie 625    
  2. Die Debatte in der Hongwen Akademie 639    
 Ji gujin FoDao lunheng, Kapitel 4:    
  1. Die Debatte im Jahre 658    
  2. Die Debatte nach der Fertigstellung des Ximing Klosters am Geburtstag des Kaisers 658    
  3. Die Debatte anlässlich der Fast- und Opferzeremonie wegen der Winterdürre 658 [HTML]    
  4. Die Debatte über das Huahu jing in Luoyang 660    
  5. Die Debatte um das Vimalakīrti Sūtra 662/663    
  6. Die Debatte 663 im Penglai Palast [HTML]    
  7. Die Debatte anlässlich Gaozongs Geburtstag 663    
     
Appendix    
 Materialien zur buddhistischen Eristik    
  Inhalt des Fangbian xin lun    
  Die Sieben Punkte der Debattenführung, lunfa qizhong    
     
Anmerkungen    
     
Bibliographie [PDF]    
 Sammlungen von Quellentexten    
 Chinesische Quellentexte    
 Sekundärliteratur    
     
Index zu Namen und Begriffen    
Index von Termini der Debattenkultur    
              
   
   

Die Debatte anlässlich der Fast- und Opferzeremonie wegen der Winterdürre 658

帝以冬旱內立齋祀召佛道二宗論議事第三

3. Angelegenheit: Der Kaiser veranstaltete wegen der Winterdürre im Inneren [des Palastes] eine Fast- und Opferzeremonie[1] und rief [Vertreter] der beiden Religionen Buddhismus und Daoismus zusammen, um sie diskutieren zu lassen.[2]

顯慶三年冬十一月。上以冬雪未零憂勞在慮。思弘法雨雩祈雪降。爰構福場故能靜處中禁廣嚴法座。

Im elften Monat im Winter des dritten Jahres der Ära Xianqing (658 n. Chr.) machte sich der Kaiser in Gedanken Sorgen, weil der Winterschnee[3] noch nicht gekommen war. Er gedachte, indem er die Lehre förderte[4] und ein Regenopfer[5] durchführte, dafür zu beten, dass der Schnee fallen möge. Daher wurde ein „Glücksfeld“ errichtet, damit er sich in Ruhe sammeln könne [um sich auf die Zeremonie vorzubereiten], [mit] einer kaiserlichen, großen, majestätischen Audienzhalle.

下敕召大慈恩寺沙門義褒。東明觀道士張惠元等入內。於別中殿講道論始于斯時也。內外宮禁咸集法筵。釋李搜揚選窮翹楚。即斯榮觀終古無之。天子親問褒所來。邑於座具答。

Der Kaiser befahl, den Mönch Yibao 義褒 aus dem Daci’en-Kloster,[6] ebenso den Daoisten Zhang Huiyuan 張惠元 und andere aus dem Dongming-Tempel[7] einzuladen, in den Palast zu kommen. Dies war das erste Mal, dass an einem anderen Ort als im zentralen Palast das Dao diskutiert wurde. Innerhalb und außerhalb der privaten Hallen des Kaisers waren überall Rednersitze aufgestellt. Buddhisten und Daoisten untersuchten, lobten, wählten aus und erforschten hervorragend.[8] So einen glanzvollen Anblick hatte es früher [noch] nie gegeben. Der Kaiser persönlich fragte, woher Yibao gekommen sei.[9] [Dieser] beantwortete alles von seinem Platz aus.[10]

時道士李榮先昇高座。立本際義。

Dann ging der Daoist Li Rong als Erster auf das Podium.[11] Er stellte eine These [über den Begriff] benji [12] (Uranfang) auf. Es ist anzunehmen, dass sich Vorträge zumeist auf einen Text bezogen, wobei dessen Titel und Aufbau vorgestellt wurden. Bei der Beschreibung und Erklärung des Titels wurden die einzelnen Begriffe Schriftzeichen für Schriftzeichen erklärt. Insofern ist es wahrscheinlich, dass hier der Titel des in der frühen Tang-Zeit besonders wichtigen Benji jing 本際經 vorgestellt worden war.

敕褒云。承師能論義。請昇高座共談名理。便即登座。

Der Kaiser sagte zu Yibao: „Ich nehme an, Ihr könnt [gut] diskutieren. Bitte nehmt den Rednerplatz ein und diskutiert miteinander Namen und Prinzipien.“ Erst [auf diese Aufforderung hin] nahm [Yibao] den Rednersitz ein.

Der Buddhist fragt mit seiner die Diskussion einleitenden Frage nach dem Verhältnis von benji und Dao. Es scheint, dass der Buddhist hier den Begriff benji als einen „realen und substanzhaften“ Uranfang interpretiert, so wie er z. B. im Zhonglun [13] verstanden wird, während der Daoist den Begriff benji eher als Metapher für das Dao interpretiert. Die Frage zielt vermutlich wiederum darauf ab, zu beweisen, dass das Dao nicht das Erste, der Ursprung aller Dinge, ist.

問云。既義標本際。為道本於際名為本際。為際本道名為本際。

Er fragte: „Wenn Ihr die These von benji (Uranfang) aufstellt,[14] [ist es dann so], dass benji [bedeutet], dass das Dao seinen Ursprung in ji (Anfang) hat, oder [bedeutet] benji , dass ji (Anfang) seinen Ursprung im Dao hat?“ Der Daoist behauptet nun, im Einklang mit der Tatsache, dass der Begriff benji letztlich als Metapher für den Begriff Dao verwendet wird, dass sich benji und Dao gegenseitig durchdringen. Mit dieser Formulierung umgeht er die Frage danach, was zuerst da war.

答云。互得進。

Die Antwort lautete: „[Dao und ji (Anfang)] vermögen es, sich gegenseitig zu durchdringen.“

Der Buddhist fasst daraufhin die Aussage des Daoisten, dass sich Dao (A) und benji (B) gegenseitig durchdringen, in andere Worte: Wenn A und B sich gegenseitig durchdringen, so kann man auch sagen, A ist Ursprung von B und (gleichzeitig), B ist Ursprung von A. Diese Aussage, dass zwei Dinge (Dao und ji ) gleichzeitig einander Ursprung sein können, ist chronologisch widersprüchlich, falls diese beiden nicht völlig identisch sind. Die im Hintergrund stehende philosophische Problematik ist wiederum die Verbindung von transzendentem und hervorbringendem Aspekt des Dao.

難云。道本於際。際為道本。亦可際本於道。道為際元。

Einwand: „Das Dao hat seinen Ursprung in ji (Anfang). Der Anfang (ji ) ist [demnach] der Ursprung des Dao. Dann kann [man doch] auch [sagen], ji (der Anfang) hat seinen Ursprung im Dao, [und demnach] ist das Dao der Beginn von ji (dem Anfang).“

Dem Daoisten ist der Zweck dieser Aussage zunächst unverständlich, doch über diesen wird er schnell belehrt: Es handelt sich um eine Falle, denn wenn die Beziehung zwischen Dao und benji so definiert werden kann, so sollte dasselbe auch für die Beziehung zwischen Dao und ziran 自然 gelten. Dies steht jedoch im Widerspruch zu dem uns nun schon bekannten Satz aus Daode jing 25.

答云。何往不通。

Antwort: „Worauf Ihr hinauswollt, verstehe ich nicht.“[15]

並曰。若使道將本際互得相通。返亦可自然與道互得相法。

[Der Buddhist] sagte gleichstellend:[16] „Wenn man davon ausgeht, dass das Dao und der Uranfang (benji ) sich gegenseitig durchdringen können, dann kann man umgekehrt auch [behaupten], dass das Aus-Sich-Selbst-So-Seiende (ziran ) und das Dao sich gegenseitig zum Gesetz haben.“[17]

An diesem Punkt bleibt dem Daoisten, will er sich nicht dem Vorwurf des Widerspruchs gegen seine eigene Lehre aussetzen, nichts übrig, als die Analogie der Verhältnisse Dao-benji und Dao-ziran für ungültig zu erklären: In Bezug auf Dao und ziran gilt die Umkehrbarkeit nicht.

答曰。道法自然。自然不法道。

Antwort: „Das Dao ist bedingt von dem Gesetz des Aus-Sich-Selbst-So-Seienden, das Aus-Sich-Selbst-So-Seiende ist nicht das Gesetz des Dao.“

Dies greift der Buddhist nun auf, fordert jedoch, dass diese Nicht-Umkehrbarkeit auch für das Verhältnis von Dao und Uranfang (benji ) gelten muss.

又並曰。若使道法於自然。自然不法道。亦可道本於本際。本際不本道。

Dann sagte er gleichstellend: „Wenn man davon ausgeht, dass das Dao dem Gesetz des Aus-Sich-Selbst-So-Seienden folgt, das Aus-Sich-Selbst-So-Seiende aber nicht dem des Dao, dann geht es auch [zu sagen], dass das Dao seinen Ursprung im Uranfang (benji ) hat, der Uranfang (benji ) seinen Ursprung aber nicht im Dao.“

Damit wirft der Buddhist dem Daoisten einen Widerspruch zu seiner zuvor aufgestellten These, bzw. Aussage vor. Dies ist ein Fehler, der zur Niederlage in der Debatte führt. Gleichzeitig impliziert das Argument auch, dass das Dao nicht das Erste, der Ursprung aller Dinge, sein kann, da dies benji sei. Die Argumentation ist identisch mit der für den Begriff ziran angewendeten: Es geht darum nachzuweisen, dass etwas „höheres“, „absoluteres“ als das Dao existiert. Die Frage, ob Dao oder ziran grundlegender ist, war im Kontext der vorliegenden Debatten auch deshalb von Bedeutung, weil die Daoisten ihren Anspruch auf Vorrang vor dem Buddhismus in großem Masse damit begründeten, dass das Dao das „erste“ ontologische Sein sei, was vor allem anderen bestand. Von dieser chronologischen Priorität leiteten sie, ganz im Sinne der konfuzianischen Interpretation von Pietät, den Vorrang des Daoismus vor dem Buddhismus ab. Diesen Anspruch der Daoisten konterten die Buddhisten häufig mit dem Verweis auf Daode jing 25 – denn auch der in der Tang-Zeit offiziell anerkannte Wang Bi Kommentar interpretiert den Begriff ziran an dieser Stelle als „das Höchste“: 自然者,無稱之言,窮極之辭也。„Ziran , das ist ein Wort für das Unbenennbare, ein Begriff, der das Höchste erschöpft.“[18]

於是道士著難恐墜厥宗。但存緘默不能加報。

Daraufhin zeigte der Daoist, dass er in Schwierigkeiten war, und er fürchtete, seine eigene These zu Fall zu bringen. Aber er blieb still und konnte nichts mehr entgegnen.

褒即覆結難云。汝道本於本際。遂得道際互相本。亦可道法於自然。何為道自不得互相法。

Da antwortete Yibao, indem er seinen Einwand noch einmal zusammenfasste: „Dein Dao hat seinen Ursprung im Uranfang (benji ). Daraus folgt dann, dass das Dao und der [Ur-]anfang (ji ) sich gegenseitig zum Ursprung haben. Man kann auch [sagen], dass das Dao sein Gesetz im Aus-Sich-Selbst-So-Seienden hat.[19] Warum [ist es denn dann nicht so, dass] das Dao und das Aus-Sich-Selbst-So-Seiende[20] sich gegenseitig zum Gesetz haben können?“

榮得重並既不領難。又不解結。便浪嘲云。法師喚我為先生。汝則便成我弟子。

Li Rong hörte die nochmalige Parallelstellung, doch da er schon den Einwand nicht verstanden hatte, konnte er das Problem wieder nicht lösen. Darauf scherzte er unangemessen: „Ihr, Dharmalehrer, nennt mich den ‚Erstgeborenen‘.[21] Da solltet Ihr doch mein Schüler werden!“

褒應聲挫云。今對聖言論。申明邪正用簡帝心。芻蕘之嘲塵黷天聽。義須棄置誠不可也。雖然無言不酬古有遺誥。聊以相答。我以事佛為師。我為佛之弟子。汝既稱為先生。汝應先道而生。我為弟子。佛是我師。汝若先道而生。汝則應為道祖。

Yibao antwortete hart: „Heute diskutieren wir vor dem Kaiser. [Da] müssen wir Recht und Unrecht genau erklären, um dem Kaiser die Unterschiede zu zeigen. Die Scherze eines ‚Hinterwäldlers‘ verschmutzen das Ohr des Kaisers. Diese Aussage muss zurückgewiesen werden, das geht wirklich nicht. Doch dennoch gibt es kein Wort auf das ich nicht entgegne, [denn es gibt doch] von alters her überlieferte Instruktionen, um einander zu antworten.[22] Da ich Buddha als meinem Lehrer diene, bin ich Buddhas Schüler. Wenn du gerade als ‚Erstgeborener‘ bezeichnet wurdest, so müsstest du eigentlich vor dem Dao geboren sein.[23] Ich bin Schüler. Buddha ist mein Lehrer. Wenn du vor dem Dao geboren bist, dann müsstest du der Ahnherr des Dao sein.“

道士當時忸怩無對。麈尾垂頓聲氣俱下。

Der Daoist errötete darauf und hatte keine Antwort. Sein Fliegenwedel (Chauri)[24] hing herab, seine Stimme war genauso klein geworden.

褒因調曰。麈尾已萎鹿巾將折。語聲既耎義鋒亦摧。

Yibao sagte daher provozierend: „Nun ist der Fliegenwedel schon vertrocknet, da wird die Kopfbedeckung auch bald abgenommen! Nachdem der Klang der Stimme schon klein geworden ist, ist das Schwert der Bedeutung auch zerbrochen.“

李榮無對逡巡下席。

Li Rong hatte keine Antwort, beschämt verließ er das Podium.

尋即有敕。令褒依法登座。

Darauf gab es ein kaiserliches Dekret, welches Yibao befahl, den Regeln entsprechend den Rednersitz zu besteigen.

便辭讓曰。義褒江表庸僧山中朽蘀。天光遠被漏影林泉。輕枉絲綸親臨御覽。然則佛法僧寶無上福田。梯蹬樂山津梁苦海。法身常住跡示興亡。像教住持取資帝力。伏惟陛下道邁軒羲德隆堯舜。遊刃萬機弘顯三寶皇后懋續宮闈皇太子聲高啟頌。今為膏雨不降瑞雪未零。憂勞黎庶設齊祈福。紫庭之內建立勝幢。黃屋之中安施法座。欲使道風常扇佛日連輝。爰詔緇黃各陳名理。玉階闡玉京之教。金闕揚金口之言。以斯景福莊嚴聖御。

Dann sprach er höflich: „Ich bin nur ein einfacher Mönch aus dem Süden, ein welkes Blatt in den Bergen. Das Leuchten des Himmels strahlt weit und lässt Abbilder in Wald und Quellen erscheinen. Ihr beliebtet[25] zu verfügen, dass ich persönlich von Euch gesehen werden sollte. Da das so ist, dann ist das für die drei Juwelen Buddha, Dharma und Sangha das größte Glücksfeld. Stufen auf der Leiter, [um] den Berg der Freude[26] [zu erklimmen], ein Floß, [um] das Meer des Leidens (Samsara) zu überwinden. Der Dharmakörper[27] besteht ewig, [nur] die ‚historischen Spuren‘[28] zeigen Aufstieg und Niedergang. Der Buddhismus[29] hält daran fest, die Unterstützung der kaiserlichen Gunst zu erlangen. Meine bescheidene Ansicht ist,[30] dass Euer Dao das der [legendären Kaiser] Huangdi und Fuxi[31] noch übertrifft und Eure Tugend die von Yao und Shun noch überstrahlt. ‚Eine spielende Klinge‘[32] bei den 10.000 Regierungsgeschäften, lasst Ihr die drei Juwelen [des Buddhismus] großzügig zur Geltung kommen. Der Kaiserin kommt besonderes Verdienst in den Frauengemächern zu. Der Thronfolger ist von erhabenem Ruf und wird gelobt. Heute, weil der Saisonregen nicht fiel und der ‚glückverheißende Winterschnee‘ ausblieb, machtet [Ihr] Euch Sorgen um das chinesische Volk und richtetet ein vegetarisches Festmahl[33] aus, um für Glück zu beten. Im Inneren der Palasthöfe wurden Siegesbanner[34] aufgestellt. In den kaiserlichen Gemächern wurden Vortragssitze eingerichtet. [Dies] sollte veranlassen, dass der Wind des Dao ewig weht und die Sonne Buddhas ihre Strahlen schickt. Dann wurden Buddhisten und Daoisten aufgerufen, dass ein jeder Namen und Prinzipien vorstelle. Auf den Jadestufen [des Kaiserpalastes] wird die Lehre von der Jadehauptstadt[35] erklärt; im goldenen Tor[36] [d. h. im Kaiserpalast] werden die Worte des goldenen Mundes[37] verbreitet. Damit soll großes Glück und majestätischer Glanz [für] den weisen Kaiser [herbeigeführt werden].

伏願 皇帝  金輪永轉玉鏡恒明。等敬北辰慶隆南嶽。

   皇后  心明七耀體洞二儀。垂訓六宮母儀萬國。

   皇太子 凝神望苑作睿春坊。布彩前星披圖下武。

Mein bescheidener Wunsch ist es,[38] Kaiser, dass das goldene Rad[39] sich ewig drehe und der Jadespiegel[40] immer strahlend klar sei. Ihr seid so geehrt [wie] der Polarstern,[41] [Eure] Güte ist so groß wie der heilige Berg im Süden.[42] Was die Kaiserin angeht, ihr Herz erleuchtet[43] die sieben Gestirne,[44] ihr Wesen[45] durchdringt[46] die zwei Urelemente [Himmel und Erde/Yin und Yang]. Sie unterrichtet gnädig in den sechs Privatgemächern und ist Vorbild einer Mutter[47] für alle Welt. Der Thronfolger konzentriert seinen Geist im Aussichtspark,[48] und er füllt sein Amt weise aus. Er zeigt sich leuchtend als ‚Vorderer Stern‘,[49] er öffnet und liest die Weltkarte, und er tritt in die Fußstapfen seiner Ahnen.[50]

義褒海隅遺隱忽廁嵩華。以有怯之心登無畏之座。用木訥之口釋解頤之談云云。然則聖旨斯臨課虛立義。

Ich, Yibao,[51] bin [nur] ein Einsiedler aus einem Winkel am Meeresrand, und plötzlich finde ich mich an der Seite der Vornehmen, Intelligenten und Eleganten.[52] Mit Furcht im Herzen besteige ich den ‚Sitz der Furchtlosigkeit‘.[53] Mit ungeschliffenen Worten[54] führe ich amüsante Reden usw.[55] So wurde ich nun durch kaiserlichen Befehl [gerufen], in der kommenden Debatte [trotz meines] fehlenden Talents eine These vorzustellen.[56]

今示義目厥號摩訶般若波羅蜜義。此乃大乘之象駕。方等之龍津。菩薩大師如來智母。摩訶大也。般若慧也。波羅蜜者到彼岸也。夫玄府不足盡其深華。故寄大以目之。水鏡未可喻其澄朗。假慧以明之。造盡不可得其崖極。借度以稱之云云。

Heute stelle ich die These vor,[57] deren Name ‚Mahāprajñāparamitā‘ ist.[58] Dies ist das ‚Elefantenfahrzeug‘[59] des Mahāyāna, der ‚Drachenübergang‘[60] des Vaipulya [d. h. Mahāyāna-Buddhismus]. Es ist die Mutter aller Weisheit der Bodhisattvas, Buddhas und Tathāgathas. Mahā bedeutet groß. Prajñā bedeutet Weisheit. Parami [tā] bedeutet, ‚ans andere Ufer gelangen‘. Was [diesen Begriff] angeht, so reicht nicht einmal [der Ausdruck] ‚dunkler Palast‘[61] aus, um seine Tiefe und seinen Glanz zu erschöpfen, daher stützt man sich auf [das Wort] ‚groß‘, um es zu betrachten. Nicht einmal ein Wasserspiegel kann seine Reinheit und Klarheit symbolisieren. Daher leiht man [den Ausdruck] Weisheit, um ihn zu beschreiben. Was man auch tut, man kann seine Ufer und Grenzpunkte nicht erreichen; so leiht man das Wort ‚überqueren‘ aus, um es zu benennen.“ etc.

道士張惠元問曰。音是胡音。字是唐字。翻胡為唐。此有何益。

Der Daoist Zhang Huiyuan fragte: „Der Klang [dieses Begriffes] ist fremdartig, die Schriftzeichen sind [jedoch] chinesisch. Barbarisches ins Chinesische zu übertragen, was sollte das für einen Nutzen haben?“

Der erste Opponent startet nun einen polemischen Angriff auf die Fremdheit des Buddhismus. Diese Strategie, die in der Zeit der südlichen Dynastien häufiger verwendet worden war,[62] taucht in den Debatten der frühen Tang-Zeit selten auf. Trotz der Polemik gegen die fremde Herkunft des Buddhismus gilt es im Gedächtnis zu behalten, dass auch im Daoismus „himmlische“ Laute und Zeichen vorhanden waren, die für den gewöhnlichen Menschen unverständlich waren und die [im Gegensatz zum Buddhismus wo die Sanskrit-Laute mit chinesischen Zeichen phonetisch übertragen wurden] mit ebenso unverständlichen „himmlischen“ Schriftzeichen transkribiert wurden.[63]

答曰。字是唐字。音是梵音。譯梵為唐。彼此俱益。

Antwort: „Die Schriftzeichen sind [in der Tat] chinesisch, der Klang ist Sanskrit. Sanskrit ins Chinesische zu übertragen, das nützt sowohl jenen (d. h. den Indern) als auch diesen (d. h. uns Chinesen).“

又難曰。胡音何能益人。

Wieder wendete [der Daoist] ein: „Wie könnten barbarische Klänge den Menschen nützen?“

答曰。佛出天竺。梵音為正教。流中夏利見甚多。云何無益彼進無難返唱不通。

Antwort: „Buddha kam aus Indien. Sanskrit ist die [ursprüngliche Sprache der] korrekten [d. h. orthodoxen] Lehre.[64] Dass sie nach China gekommen ist, den Nutzen [davon] kann man in der Tat als sehr groß betrachten. Wie [kann man denn da behaupten] das hätte keinen Nutzen!“ Jener hatte beim Hereingehen [schon] keinen [echten] Einwand, [und nun] redet er beim Antworten [auch] unverständlich.

褒體之曰。道士年耄今復發狂。答義若此。頓不思量。

Yibao sagte provozierend:[65] „Ihr, Daoist, seid schon sehr alt, heute seid Ihr wohl wieder einmal verrückt geworden, dass Ihr so auf eine These antwortet, ohne auch nur einmal nachzudenken.“

張曰。我那忽狂。

Zhang antwortete: „Wieso soll ich denn plötzlich verrückt sein?“

褒調曰。子心不狂那出狂語。退亦佳矣。抒軸何為。張遂復座。

Yibao sagte provozierend: „Wenn Euer Geist nicht verrückt ist, wieso redet Ihr dann so verrücktes Zeug daher? Nachgeben [kann] auch gut sein! Das Wichtige [einfach] nicht zu beachten, wozu soll [denn] das gut sein?“ Zhang kehrte darauf wieder auf seinen Platz zurück.[66]

Der Buddhist wirft dem Daoisten hier vor, einen irrelevanten und sinnlosen Einwand gemacht zu haben. Da der Daoist das Podium verlässt, kann man davon ausgehen, dass dieser Einwand zur Disqualifikation des Opponenten führt. Der zweite Opponent beginnt nun mit einer neuen Diskussionsstrategie.

姚道士次論義曰。般若非愚智。何以翻為智。

Der Daoist Yao[67] war der nächste Diskussionspartner. Er sagte: „Prajñā ist jenseits von Dummheit oder Weisheit. Warum wird es dann mit ‚Weisheit‘ übertragen?“

Der Daoist versucht, dem Buddhisten den Fehler des „Widerspruchs mit der eigenen Lehre“ nachzuweisen.[68] Die Aussage, dass prajñā jenseits von Dummheit und Weisheit ist, beruht auf der Theorie der zwei Wahrheiten.[69] Diese Theorie postuliert, dass es für alle möglichen Aussagen zwei Ebenen von Wahrheit gibt, die konventionelle Wahrheit des gewöhnlichen Menschen und die absolute Wahrheit des spirituell Fortgeschrittenen. Diese Theorie wird meist zusammen mit der logischen Sequenz des Tetralemma (siju 四句) angewendet; einer Serie von vier Aussagen, bei denen jede jeweils die vorhergehende negiert. Das Ziel ist die Erkenntnis einer letzten absoluten Wahrheit, die jenseits aller Dualität liegt. Die vier Schritte des Tetralemma werden unter die Kategorien der konventionellen und absoluten Wahrheit subsumiert, was der Gefahr des ethischen Relativismus oder Nihilismus entgegenwirkt.

 
   
Konventionelle Wahrheit sudi  俗諦
Absolute Wahrheit zhendi 真諦

(1) Alle Dinge haben reale Existenz 有

(2) Alle Dinge haben keine reale Existenz 無

(2) Alle Dinge haben keine reale Existenz 無

(3) Alle Dinge haben zugleich reale Existenz und keine reale Existenz 有無

(3) Alle Dinge haben zugleich reale Existenz und keine reale Existenz 有無

(4) Alle Dinge haben weder reale Existenz noch keine reale Existenz 非有非無
   
Auf die Frage der Interpretation von prajñā angewendet ergibt sich folgendes Schema:
   

Konventionelle Wahrheit sudi  俗諦

Absolute Wahrheit zhendi 真諦

(1) Dummheit

(2) Weisheit

(2) Weisheit

(3) Weisheit und Dummheit

(3) Weisheit und Dummheit

(4) Weder Weisheit noch Dummheit
   

Prajñā , vom Standpunkt der höchsten Ebene der absoluten Wahrheit aus betrachtet, ist jenseits von Dummheit und Weisheit. Die Worte selbst, d. h. Sprache an sich, sind jedoch darauf angewiesen, auf der Ebene der konventionellen Wahrheit zu arbeiten, daher stellt die Übersetzung des Begriffes quasi eine Regression auf die Ebene der konventionellen Wahrheit dar. Insofern ist die Übersetzung des Begriffes prajñā mit „Weisheit“ – dies war die Aussage des Buddhisten in seinem Vortrag – im Widerspruch mit den Aussagen der buddhistischen Lehre, die prajñā als etwas, das jenseits der herkömmlichen Begriffe von Dummheit und Weisheit liegt, definieren.

答曰。為欲破愚癡。歎美稱為智。

Antwort: „Weil man die Dummheit zerbrechen will, nennt man es bewundernd ‚Weisheit‘.“

張責云。何者是愚癡而將智來破。

Yao[70] fragte weiter: „Was ist das für eine Dummheit, die man mit Weisheit zerbrechen kann?“

Der Daoist hält seine Argumentation weiter auf derselben Ebene: Wenn Weisheit und Dummheit Eines sind (d. h. von der Warte der absoluten Wahrheit aus, in der alle Dualitäten aufgelöst werden), dann ist nicht nur der Begriff Weisheit, sondern auch sein Gegenteil, der Begriff Dummheit, nichtig. Der Buddhist hält sich nun in seiner Antwort nicht an diese vorgegebene Sprachebene – er geht über zu Polemik und bezichtigt den Daoisten der Dummheit.Es scheint, dass diese Änderung des Tons zur Polemik, wie auch schon zuvor gezeigt, einen – in der Debatte legitimen – Ausweg aus einer Situation, in welcher der Debattierende keine angemessene Antwort geben konnte, ermöglichte.

答曰。愚人是道士將智以破之。

Antwort: „Der Dumme ist der Daoist, man nimmt Weisheit, um ihn zu zerbrechen.“

張曰。我那忽是愚。

Yao[71] sagte: „Wieso soll ich dumm sein?“

答曰。般若非愚智。破愚嘆為智。道士若亡愚。我智藥亦遣。

Antwort: „Prajñā ist jenseits von Dummheit oder Weisheit,[72] die Dummheit zu zerbrechen nennt man Weisheit. Wenn Ihr, Daoist, Eure Dummheit untergehen lasst, dann wird meine Weisheit auch mit Freuden weggeschickt.“

如是覆卻數番。張遂飲氣吞聲周慞失守。無難坐默。

So wurde er mehrmals niedergeschlagen und zurückgedrängt [in der Diskussion]. Yao[73] holte darauf tief Luft und brachte keinen Ton mehr heraus, er blickte sich furchtsam um und hatte die Kontrolle [über die Diskussion] verloren. Ohne Erwiderung setzte er sich schweigend hin.

褒因總調云。張生則逃狂無所姚道。又避愚無地。狂愚既退。李可進關。

Yibao provozierte daher nochmals zusammenfassend:[74] „Der Herr Zhang, der hat keinen Ort, um seine Verrücktheit zu verstecken, Daoist Yao[75] [fand] auch keine Stelle um seine Dummheit zu verbergen. Verrückt und dumm, [da blieb nichts als] der Rückzug. Li [Rong] kann vortreten und sich darum kümmern.“

Auch der dritte Opponent, Li Rong, versucht sich nun mit der schon vor ihm von Yao begonnenen Technik der Argumentation, wobei er allerdings mit den Begriffen „dieses Ufer“ und „jenes Ufer“ „wertfreie“ Termini anführt,[76] und in der Tat gleitet diese Diskussion nicht ganz so schnell wie die vorherige in Polemik ab. Der Grundgedanke bleibt jedoch gleich: das Vermeiden von Extremen, hier „dieses Ufer“ oder „jenes Ufer“, ist Kennzeichen der absoluten Wahrheit, die jenseits aller möglichen Unterscheidungen liegt, während Sprache selbst der Ebene der „weltlichen Wahrheit“ verhaftet ist.

榮因問曰。義標般若波羅蜜。斯乃非彼非此。何以言到彼岸。

Li Rong fragte daher: „Ihr habt die Bedeutung von Prajñāparamitā dargestellt, dies ist nun doch weder jenes noch dieses, warum sagt Ihr denn dann ‚ans andere Ufer gelangen‘?“

答曰。般若非彼此。歎美為度彼。

Antwort: „Prajñā ist nicht dieses oder jenes (d. h. es steht jenseits aller Unterschiede). Man nennt es bewundernd: ‚zum anderen [Ufer] hinübergehen‘.“

Der Buddhist argumentiert nun auch im Kontext der Theorie der zwei Wahrheiten, fügt jedoch das Adverb „bewundernd“ zur Klärung hinzu. Diesem Adverb kommt hier eine Funktion zu, die der eines Quantoren[77] ähnelt.

李曰。非彼非此歎度彼岸。亦應非彼非此歎到此岸。

Li Rong sagte: „Es ist [also] nicht jenes und nicht dieses, [und dennoch] sagt man bewundernd: ‚an das jenseitige Ufer übersetzen‘. Dann sollte es [doch] auch möglich sein, da es nicht dieses und nicht jenes ist, bewundernd zu sagen: ‚an dieses Ufer gelangen‘.“

Li Rong beharrt auf seinem Argument und versucht sich hier mit einer ähnlichen Strategie, wie sie der Buddhist zuvor in der Debatte über das Thema benji 本際angewendet hatte: Er stellt eine Forderung, die auf einer logischen Umformulierung der Aussage des Buddhisten basiert: Wenn (Nicht A) und (Nicht B) gleichermaßen gilt und es [dennoch] zulässig ist, (B) zu sagen, so muss es notwendig auch zulässig sein, (A) zu sagen. Die logisch nachvollziehbare Antwort auf diese Umkehrung wäre eine bejahende Antwort. Diese bejahende Antwort würde in diesem Fall besagen, dass der Begriff paramitā auch mit „an dieses Ufer gelangen“ übersetzt werden kann. Mit einer solchen Aussage würde der Buddhist dann allerdings seiner eigenen These („zum anderen Ufer hinübergehen“) widersprechen, was ein Fehler wäre, der zur Niederlage führte. Der Buddhist antwortet jedoch auf diesen nach Kriterien der Logik formulierten Einwand nicht mit der zu erwartenden „logischen“ Antwort, sondern er führt ein neues Element ein: das Mittel, um die geforderte Überwindung von Dualität, bzw. hier von der Unterscheidung „dieses“ und „jenes“, zu erreichen.[78] In der buddhistischen Fachterminologie wird dies upāya (fangbian 方便) bezeichnet.

答曰。雖彼此兩亡歎彼令離此。

Antwort: „Obwohl jenes und dieses (d. h. alle Unterscheidungen) beide untergehen, sagt man bewundernd ‚jenes‘ um zu veranlassen, dass ‚dieses‘ aufgegeben wird.

李曰。歎彼不歎此。亦應非此不非彼。

Li Rong sagte: „Man spricht bewundernd von ‚jenem‘ [Ufer], [aber] nicht von ‚diesem‘ [Ufer]. Dann sollte man doch auch sagen [können] ‚[es] ist nicht dieses,‘ [aber] nicht, [es] ist nicht jenes.‘“

Der Daoist versucht mit diesem Argument vordergründig, einen Fehler in der These des Buddhisten aufzuzeigen, d. h. eine falsche Definition des vorgestellten Begriffes. Gleichzeitig prangert dieses Argument jedoch auch die Nichtigkeit von dessen vorgeschlagener (und in buddhistischen Kreisen eingebürgerter) Übersetzung an. Da sich die gesamte buddhistische Lehre auf Übersetzungen stützt, ist dies ein Argument von großer Tragweite.

答曰。歎彼令離此。此離彼亦亡。

Antwort: „Man sagt bewundernd ‚jenes‘, um zu veranlassen, dass ‚dieses‘ aufgegeben wird. Ist ‚dieses‘ [erst einmal] aufgegeben, geht ‚jenes‘ auch [d. h. mit ihm] unter.“

李榮更無難。乃嘲曰。僧頭似彈丸。解義亦團欒。

Li Rong hatte keinen [weiteren] Einwand. So schimpfte er: „Mönch, Euer Kopf gleicht einer Kugel, beim Erklären der These [geht Ihr] auch [dementsprechend] im Kreis.“

褒接聲曰。今一彈彈黃雀已射兩鴟鶚。彈彈黃雀足射射鴟鶚腰。于時李既發機被彈。張元乃拔箭助之。

Yibao griff [das Bild] auf und sagte: „Heute hat ein kleiner kugelrunder Spatz schon zwei Eulen[79] abgeschossen. Ein kleiner kugelrunder Spatz reicht aus, um der Eule mal mitten in den Bauch zu schießen. Da hatte Li Rong gerade die Armbrust [zum Schießen] vorbereitet, da wurde er auch schon abgeschossen. Zhang [Hui]yuan zog dann den Pfeil heraus, um ihm zu helfen.“

褒又調曰。李不自拔。張狂助亡姚生一愚。那不見助。姚即發言云云。

Yibao provozierte weiter: „Li hat sich [den Pfeil] nicht selbst herausgezogen. Zhang wurde verrückt und trug zum Untergang bei, Yao brachte einen Dummen hervor. Wo [sie auch hinblickten], sie sahen keine Hilfe.“ Yao begann dann zu sprechen, etc.[80]

褒合調曰。兩人助一人。三愚成一智。昔聞今始見。斯言無有從于時天子欣然。內宮諠合。

Yibao provozierte sie zusammen und sagte: „Zwei Menschen helfen einem. Drei Dumme geben zusammen einen Weisen. Einst hörte man davon, heute sehe ich das zum ersten Mal [mit eigenen Augen].“ Auf diese Worte folgte nichts mehr. Damals war der Kaiser erfreut. [81] Die Kaiserin[82] war begeistert.

李榮俛首不已。便云。作如此解義。何須遠從吳地來。

Li Rong hielt seinen Kopf die ganze Zeit gesenkt. Dann sagte er: „Wenn du so Thesen erklärst, wieso musstest du denn da so weit vom Gebiet der Wu[83] herkommen?“

褒云。三吳勝地本出英賢。橫目苟身舊無人物云云。言訖下座。

Yibao antwortete: „Die schönen Orte der drei Wu[84] haben schon immer talentierte Helden hervorgebracht.[85] Waagrechte Augen[86] und einen Hundekörper, [schon früher gab es [dort, d. h. in Shu (Sichuan, der Heimat Li Rongs)] keine Menschen“[87] etc. Als er fertig gesprochen hatte, stieg er vom Diskussionspodium.

當斯時也。獨御黃老無敢抗言。可謂振論鼓於王庭。不異提婆之日。灑法音於帝掖。何殊身子之秋。事罷相從還栖公館。

Gerade zu dieser Zeit [war es so, dass Yibao] allein die Daoisten dazu brachte, dass sie es nicht wagten, zu widersprechen. Man kann sagen, er schlug die Dharmatrommel am Königshof, nicht anders als zu Devas Zeiten.[88] Den Klang der Dharmalehre in den kaiserlichen Palästen zu verbreiten, wie wäre das anders als zu Śāriputras Zeiten.[89] Als die Angelegenheit beendet war kehrten alle sofort zurück in ihre Übernachtungsquartiere, um sich auszuruhen.

褒謂諸道士曰。駟不及舌明言非易。天下清論何有窮涯。等星曜之在天。類河山之鎮地。須便引用未待鄙言。何有面對天顏輕為謔論。脫付法推罪當不敬賴。聖上慈弘恕其不逮不敬之罪。終難可逃。道士等大慚。

Yibao sagte zu den Daoisten: „Was gesagt ist kann man nicht ungeschehen machen,[90] klare Worte kann man nicht ändern. Bei einer reinen Diskussion dieser Welt, wie könnte man da Grenzen finden. Gleich den Sternen und der Sonne im Himmel, gleich Flüssen und Bergen, die die Erde in Ordnung halten. Es geht an, informell zu zitieren, aber das heißt noch nicht, dass man Vulgärsprache verwenden kann! Wie könnt ihr nur im Angesicht des Kaisers so leichtfertig drauflosschimpfen! Die einem anvertraute Lehre zu verwerfen und kriminelle Handlungen [d. h. hier wohl Majestätsbeleidigung] voranzutreiben, das muss als respektlos gelten.[91] Nur dank des überragenden Wohlwollens des Kaisers, das Vergebung [von Vergehen] begünstigt, wurdet Ihr nicht wegen Majestätsbeleidigung [das Vergehen der Respektlosigkeit] verhaftet. Letztendlich kann man den Schwierigkeiten doch entkommen.“ Die Daoisten schämten sich sehr.

張元曰。不須述也。

Zhang sagte: „Das braucht man nicht aufzuzeichnen.“

褒曰。往不可咎來猶可追。請廣義方統詳名理。豈非釋李高軌不墜風流。勝負兩亡情理雙遣者也。

Yibao sagte: „Das Vergangene kann man nicht zensieren, das Zukünftige kann doch noch ausgleichen. Ich bitte darum, im weitesten Sinne wie gewohnt [diese Diskussion um] Namen und Prinzipien vollständig und detailliert aufzuzeichnen. Wie wäre das [sonst] nicht so, als ob die hohen Verhaltensregeln der Buddhisten und Daoisten die alten Sitten nicht weiterführen, sodass Sieg und Niederlage beide untergehen und Gefühl und rationaler Geist beide eliminiert werden.“[92]


[1]   Zu dem Begriff zhai 齋 vgl. Malek 1985, 32: „Das chai im traditionellen China wurde also als eine Vorbereitung auf Kulthandlungen und Zeremonien verstanden und auch mit geistiger Konzentration (Meditation), sowie mit physischer und geistiger Reinigung (Purifikation) verbunden.“ Ebd., 33, zitiert Malek die Rekonstruktion der zhai - Praxis in der Tang-Zeit durch W. Eichhorn (1976, 166): „Zu dieser Purifikation wurden in der T’ang-Zeit alle Teilnehmer des Rituals in einem feierlichen Akt verpflichtet. Die leichtere Abstinenz mussten die Beamten in ihren gewöhnlichen Diensträumen absolvieren, nur die Nächte durften sie in dem nach dem Straßenausgang zu gelegenen Hauptraum ihrer Wohnung, d. h. wohl nicht im inneren Schlafraum (mit ihren Frauen) zubringen. Es war ihnen verboten, Trauer zu tragen und Krankenbesuche zu machen, Musik zu hören und Todesurteile zu unterschreiben, wie überhaupt Strafen zu verhängen oder sich ganz allgemein mit Unreinem oder Bösem zu befassen. Während der verschärften Kasteiung sollten sie sich ausschließlich dem bevorstehenden Ritual widmen und ihre Amtsräume, wenn diese auf dem Palastgrund lagen, nicht verlassen oder im anderen Falle sich dort in einem besonderen Kasteiungsraum aufhalten […].“ Die im Bericht Daoxuans folgende Beschreibung spricht dafür, dass die Debatte hier als Element zur Unterstützung der geistigen Sammlung und Vorbereitung auf die eigentliche Opferzeremonie abgehalten wurde.

[2]   Diese Debatte wird auch in der Biographie Yibaos, Xu gaoseng zhuan 15.547f ausführlich beschrieben. Auch in Fozu lidai tongzai 12.579b, und Fozu tongji 39.367b finden sich Erwähnungen, allerdings variieren die Zeitangaben.

[3]   Im 11. Monat des chinesischen Mondkalenders liegt ca. 14 bzw. 15 Tage vor dem Tag der Wintersonnwende der Tag des großen Schnees (daxue 大雪). Es ist zu vermuten, dass der an diesem Tag zu erwartende Schnee ausgeblieben war.

[4]   Auch dies weist darauf hin, dass die Debatten hier als Teil der im Staatskult vorgeschriebenen der Zeremonie vorangehenden Fast- und Reinigungsperiode abgehalten wurden.

[5]   Yu 雩: Dieses Opfer, das bei Dürre durchgeführt wurde um Regen zu erbitten, wird schon im Liji , in den Kapiteln „Jifa“ 祭法, 46.1588a, und „Yueling“ 月令, 16.1369 erwähnt. Es wäre möglich, dass dieses Opfer hier mit dem Tag der Wintersonnwende (dongzhi 冬至) zusammenhing. Das Opfer der Wintersonnwende gehörte zur Gruppe der „Opfer am runden Altar“, die zu den wichtigsten und aufwendigsten Zeremonien in der frühen Tang-Zeit gerechnet werden (Wechsler 1985, 117).

[6]   In diesem Kloster war die Übersetzungsakademie Xuanzangs untergebracht.

[7]   Der Dongming Tempel 東明觀 war im ersten Jahr der Ära Xianqing (656) in Chang’an im Puning-Quartier 普寧放 eingerichtet worden, als der Sohn Wu Zetians Li Hong 李弘 (652–675) zum Thronfolger ernannt wurde.

[8]   Qiaochu 翹楚, spielt an auf den Ausdruck 翹翹錯薪言刈其楚 aus Shijing , „Zhounan“ 周南; Maoshi , Nr. 9, 1.3.282a. Der Ausdruck bezeichnet ein hervorragendes Talent (Shijing cidian , 358f).

[9]   Ich emendiere die Interpunktion des Taishō-Textes: 天子親問褒所來邑。於座具答.

[10]   Die Reihenfolge der Vorträge bei den Debatten hing direkt von der offiziellen Rangordnung ab und war gleichzeitig auch wichtiger Ausdruck derselben. Die Betonung der Tatsache, dass Yibao hier von seinem Platz aus antwortet – und noch nicht auf den Rednersitz gestiegen ist, zeigt dass der Daoist zuerst gebeten war zu sprechen. Doch Daoxuan betont, dass, obwohl Yibao nicht der Redner war, der Kaiser sich zuerst an ihn wendete – ohne ihm allerdings den offiziellen Vorrang vor den Daoisten zuzugestehen.

[11]   Gaozuo 高座: ein erhöhter Sitz, bezeichnet hier den Rednersitz. Diese Rednersitze waren höchstwahrscheinlich auf einem erhöhten Diskussionspodium aufgestellt. Auch die Sitze selbst waren erhöht. Das Verb cheng , das ich mit „Platz einnehmen“ übersetze, bedeutet wörtlich „besteigen“.

[12]   Benji 本際: Der Begriff entstammt dem Titel des Benji jing 本際經, eines der wichtigsten daoistischen Sūtras der frühen Tang-Zeit. Es wurde höchstwahrscheinlich in der Sui-Zeit von Liu Jinxi in 5 Kapiteln verfasst und in der frühen Tang-Zeit von Li Zhongqing auf 10 Kapitel ergänzt. Für eine ausführliche Beschreibung vgl Assandri 2009, 57-70 und 2008. Der Begriff benji bezeichnet im Buddhismus einen ersten Moment in der Zeit, den Uranfang allen Seins. Die Möglichkeit dass es einen solchen Uranfang geben könnte wird im Buddhismus negiert, so z. B. im Zhonglun 2.11.16a4-9. Als Titel des daoistischen Benji jing spielt der Begriff auf das Dao, das ja auch als Anfang aller Dinge bezeichnet wird, an.

[13]   Vgl. Zhonglun 2.11.16a4f und Cheng weishi lun 1.3b13f, wo das Konzept von benji als einem Uranfang des Lebens und Sterbens der Wesen widerlegt wird.

[14]   Biao 標, wörtlich „kennzeichnen“, „benennen“, scheint hier ein terminus technicus der Debatten synonym zu li yi 立義 zu sein.

[15]   Vgl. den Bericht von dieser Debatte in der Biographie Yibaos, Xu gaoseng zhuan 15.547c26: Hier steht statt he wang bu tong 何往不通yi tong 亦通 („sie durchdringen sich auch“).

[16]   Ich vermute, dass bing 並 ein Fachbegriff der damaligen Rhetorik ist. Der Terminus erscheint auch in den folgenden Sätzen als Einleitung einer Satzstruktur: „Wenn [A ist B] gilt, dann muss auch [B ist A] gelten.“ In diesem Falle bedeutet bing : „eine Equivalenzrelation herstellen“.

[17]   Die Frage nach der Beziehung von Dao und ziran spielt auf Daode jing 25, 道法自然, an.

[18]   Daode jing zhu , 25.15.

[19]   Diese Aussage leitet sich aus Daode jing 25 ab.

[20]   Ich ergänze ran 然 hinter zi 自.

[21]   Die höfliche Anrede xiansheng 先生 bedeutet, zerlegt man das Binom in seine zwei Bestandteile „der zuerst geboren ist“.

[22]   Yigao 遺誥 spielt eventuell auf traditionelle Regeln der Debatte an. Leider wird nicht klar, auf welche Instruktionen er hier anspielt.

[23]   Der Ausdruck xiansheng 先生, in der wörtlichen Bedeutung der zwei Schriftzeichen „zuerst geboren“, hat kein Objekt, d. h. man kann theoretisch xian 先 auch als absolutes „zuerst“, vor allem anderen, auffassen.

[24]   Der Fliegenwedel oder Yakschwanzwedel war ein wichtiges Accessoire der Debattierenden. Es scheint, dass man ihn, wenn man antwortete, erhob, und ihn, wenn man fertig geantwortet hatte oder nicht antworten konnte, senkte. Vgl. auch den Exkurs über den zhuwei auf S. 19.

[25]    Ich folge der koreanischen Ausgabe des Textes, 520b, und lese qingkuang 輕狂 an Stelle von qingwang 輕枉.

[26]   Leshan 樂山 steht hier parallel zu futian 福田 und kuhai 苦海, als Metapher für ein Paradies, oder die Erlösung, im Buddhismus.

[27]   Fashen 法身, dharmakāya : bezeichnet Buddha in der Form der Verkörperung des ewigen Dharma; es ist der erste der „Drei Verkörperungen des Buddha“ trikāya (sanshen 三身)”. Nota: dieser Begriff wurde auch in die Lehre des Daoismus integriert, s. z. B. Daojiao yishu 1.3a.7, Benji jing , 2, Ms. P 2392, Zeile 274 (in Wan Yi 1998, 404); s. Assandri 2009.

[28]   Ji 跡wörtlich: Spuren. Der Begriff ist im Sinne von „äußerer Erscheinung“ zu verstehen, als Antithese zu ben 本, Wurzel, dem Grundlegenden, oder suoyi ji 所以跡, einem Begriff aus Zhuangzi 14.234. In dem Vortrag Yibaos bezeichnet ji 跡 konkret die historische Entwicklung des Buddhismus.

[29]   Xiangjiao 像教 bezeichnet hier den Buddhismus, im Gegensatz zu mingjiao 名教, dem Konfuzianismus.

[30]   Fuwei 伏惟: Dieser Ausdruck, der häufig in den Debatten verwendet wird, ist eine einleitende Höflichkeitsfloskel, die auch in Briefen verwendet wurde. Vgl. Ebrey 1985, 605.

[31]   Zwei der legendären chinesischen Kaiser.

[32]   Youdao 遊刃: Der Ausdruck spielt auf eine Geschichte aus Zhuangzi 3.19 an, in der es um den Koch geht, der einen Ochsen so gut zerlegen kann, dass er sein Messer 19 Jahre lang nicht abnutzt. Sein Geheimnis liegt darin, dass er das Messer, das eigentlich keine Dicke hat, in den Zwischenräumen zw. Knochen und Fleisch spielen lässt. (Vgl. Watson 1964, 46f.) Der Ausdruck wird als Metapher für jemanden, der seine Arbeit besonders gut versteht, weil er dem Dao folgt, verwendet.

[33]   Lies zhai 齋 statt ji 齊.

[34]   Shengchuang 勝幢, vgl. Ding 1922, 1131. 1: Nach indischer Sitte wurden nach einer gewonnenen Schlacht Siegesbanner aufgestellt. Im daochang 道場 wird mara , der Teufel, besiegt; daher werden auch dort Siegesbanner aufgestellt, um den Sieg des Buddhismus über mara zu symbolisieren.

[35]   Die Jade-Hauptstadt ist der Sitz des höchsten daoistischen Gottes Yuanshi Tianzun. Gleichzeitig wird der Begriff auch als Bezeichnung für die Kaiserstadt verwendet. Die Doppeldeutigkeit ist intendiert.

[36]    Das goldene Tor bezeichnet einerseits das Palasttor des Kaisers, und andererseits im Daoismus einen Palast in den höchsten Himmeln. Vgl. Robinet 1984, 133 zu jinque gong 金闕宮, ebenso Bokenkamp 1997, 282 und 304, Anm. 12.

[37]        Jinkou 金口 bezeichnet zum einen die Worte des Kaisers, zum anderen die Worte des Buddha. Diese und die vorangehenden Metaphern können sowohl auf der Ebene des religiösen Bereiches, als auch auf der Ebene des weltlichen, d. h. dem Kaiser zugeordneten, Bereichs interpretiert werden. Dies ist sicherlich absichtlich so formuliert und kann als rhetorisches Mittel gewertet werden.

[38]   Die folgende Lobrede auf Kaiser, Kaiserin und Thronfolger ist in Gedichtform verfasst.

[39]   Zur Verwendung des Konzeptes vom Cakravartin des goldenen Rades zur Legitimation von Herrschaft in China, Vgl. Forte 1976, 136-139, der darauf hinweist, dass in der Mitte des 7. Jahrhunderts Daoxuan in seinem Shijia fangzhi 1.950b21, nachdem er von den „Cakravartin-Königen“ gesprochen hat, sagt, dass China bereit sei, für einen „Cakravartin-König“.

[40]   Der Jadespiegel symbolisiert eine erleuchtete, weise Regierung.

[41]    Beichen 北辰: der Polarstern. Vgl. Lunyu , „Weizheng“ 2, 2.20; Übersetzung von Legge 1893, 145: „He who exercises government by means of his virtue may be compared to the north polar star, which keeps its place and all the stars turn towards it.“

[42]    Nanyue 南岳 bezeichnet den Hengshan橫山 in Hunan, den ersten der fünf heiligen Berge Chinas.

[43]    Ming 明, wörtlich: hell, strahlend, bedeutet auch „verstehen“. Der Ausdruck ist hier doppeldeutig: „Das Herz der Kaiserin leuchtet wie die Sieben Gestirne“ und „Die Kaiserin versteht in ihrem Herzen [das Wirken der] Sieben Gestirne“. Diese Doppeldeutigkeit, die auch im nächsten Satz vorliegt und sehr poetisch klingt, lässt sich leider im Deutschen nur schwer beibehalten.

[44]   D. h. Sonne, Mond, und die fünf Planeten Jupiter, Venus, Mars, Merkur, Saturn.

[45]   Ti 體 bezeichnet Körper, Person, Substanz. All diese Bedeutungen sind hier wohl gemeinsam impliziert.

[46]   Dong 洞 heißt neben „durchdringen“ auch „verstehen“. Es liegt dieselbe Doppeldeutigkeit wie bei ming im vorangehenden Satz vor: „Das Wesen der Kaiserin durchdringt die beiden ursprünglichen Elemente“ (d. h. sie ist mit diesen Urkräften eins), und: „Die Kaiserin versteht [das Wirken] dieser Elemente“.

[47]   Zu muyi 母儀 vgl. z. B. Lienü zhuan , Biographien vorbildlicher Frauen: Das erste Kapitel trägt den Titel „Muyi zhuan“ 母儀傳.

[48]    Zu ningshen 凝神 vgl. Zhuangzi 1.15, wo der Begriff in der Beschreibung eines Heiligen (神人) verwendet wird. Vgl. Watson 1964, 27: „By concentrating his spirit, he can protect creatures from sickness and plague and make the harvest plentiful […].” Wangyuan 望苑 bezieht sich auf bowangyuan 博望苑, einen Palastgarten, den Han Wudi (reg. 141–87 v. Chr.) für den Thronfolger Liu Ju劉據 (Kronprinz Li) 戾太子 (128–91 v. Chr.) einrichten lies. Vgl. Han shu , 63.619b.

[49]  Qianxing 前星 habe ich hier wörtlich übersetzt um das Bild zu erhalten, der Begriff ist jedoch auch eine Bezeichnung für den Thronfolger.

[50]   Zu xiawu 下武, vgl. Shijing , „Daya“, xiawu; Maoshi Nr. 243, 16.5.525c: 下武維周,世有哲王。Übersetzt in Waley 1937, 265: „Zhou is it, that continues the footsteps here below, from generation to generation it has had wise kings […].“

[51]   Eigentlich spricht hier noch Yibao selbst. Dabei ist es aber sehr ungewöhnlich, dass er von sich selbst mit seinem Namen und nicht in einer höflichen Abwertungsfloskel spricht.

[52]   Songhua 嵩華 bezeichnet auch den Songshan嵩山 in Honan und den Huashan華山 in Shanxi, zwei der heiligen Berge Chinas. Die beiden Begriffe stehen hier metaphorisch für Edle und Vornehme.

[53]   Hier liegt ein Wortspiel zwischen youqie 有怯 (ängstlich) und wuwei 無畏 (furchtlos) vor. Der Ausdruck „Sitz der Furchtlosigkeit“ als Bezeichnung für den Rednersitz, ist sicherlich eine Anspielung darauf, dass eine wichtige vom Debattenteilnehmer geforderte Eigenschaft die Furchtlosigkeit war. Im Kontext der Debatten bedeutet Furchtlosigkeit die Fähigkeit vor jedem Publikum, sei es der König, Würdenträger oder eine Versammlung von Weisen, ohne Furcht und Schüchternheit zu debattieren. Vgl. den Appendix der vorliegenden Arbeit zu den sieben Kategorien der Debattenführung, 4. lun zhuangyan , 4.1.3. wuwei : Furchtlosigkeit.

[54]   Mune 木訥: Der Begriff stammt aus Lunyu „Zilu“, 13, 16.298: „子曰:刚毅、木訥,近仁.” Vgl. Legge 1893, 274.27: „The master said, ‘The firm, the enduring, the simple, and the modest are near to virtue.’“

[55]   Hier kürzt Daoxuan die Lobrede ab.

[56]   Liyi 立義 ist ein terminus technicus , der häufig in den Debatten auftaucht.

[57]   Yimu 義目 scheint ein terminus technicus der Debatten zu sein.

[58]   Der Wortlaut dieser These scheint von Seng Ruis 僧叡Vorwort zum Mahāprajñāparamitā-Sūtra , Dapin jing xu 大品經序 (in Chu sangzang jiji 8) inspiriert zu sein: Vgl. Chu sanzang jiji 8.52c27-53a2: 摩訶般若波羅蜜者。出八地之由路。登十階之龍津也。夫淵府不足以盡其深美。故寄大以目之。水鏡未可以喩其澄朗。故假慧以稱之。造盡不足以得其崖極。故借度以明之。

[59]    Xiangjia 象駕 bezeichnet das Vordringen des Buddhismus nach Osten; die Bezeichnung stammt ab von einer Legende, die besagt, ein Elefant hätte Sūtras auf dem Rücken [nach China] gebracht (s. Ding 1922, 1115).

[60]   Longjin 龍津: Der Begriff taucht im Vorwort Seng Ruis zum Mahāprajñāparamitā-Sūtra auf (in Chu sanzang jiji 8.52c29), s.o., Anmerkung 58.

[61]   Xuanfu 玄府 entspricht wohl dem Begriff Yuanfu 淵府 in Seng Ruis Vorwort zum Mahāprajñāparamitā-Sūtra (in Chusanzang jiji 8.52c29). Yuanfu bezeichent einen Ort an dem Schätze gesammelt sind; xuanfu bezeichnet u. a. die im Herzen angesiedelte Fähigkeit zum Denken, sowie Wohnorte der Unsterblichen. Die Doppeldeutigkeit des Begriffes ist vermutlich intendiert.

[62]   Vgl. Zürcher 1959, 262f und Kohn 1995, 19ff.

[63]   Vgl. Bokenkamp 1997, 385ff und 431.

[64]   Zhengjiao 正教 bezeichnet die orthodoxe Lehre im Gegensatz zur häretischen xiejiao 邪教.

[65]   Ich folge der Lesart von Fo Dao lunheng 4.390, Anm. 19: lies tiao 調, provozierend, an Stelle von ti 體.

[66]   Der Text scheint hier korrupt. Der im folgenden Satz (4.390b23) eingeführte Yao Daoshi wird zunächst nicht wieder erwähnt; als Redner wird im Taishō-Text (Fo Dao lunheng 4.390b25, 27, 29) immer Zhang [Huiyuan] angegeben. Nachdem das Wortgefecht beendet ist, fasst Yibao dieses nochmals zusammen (4.390c12) und spricht dabei von Zhang und Yao. Es scheint wahrscheinlich, dass Zhang hier den Platz seinem Nachfolger Yao überlies.

[67]   Yao daoshi 姚道士 bezeichnet vermutlich Yao Yixuan 姚義玄.

[68]   Ob dies aufgrund von Kenntnis der Regeln der buddhistischen Debattenführung, oder aufgrund von allgemeiner Erfahrung in den Debatten, in denen die Buddhisten immer wieder Widersprüche zum Text des Daode jing aufzeigten, geschah, lässt sich nicht festlegen.

[69]   Vgl. Fung Yu-lan 1952, Bd. 2, 295 und Assandri 2009, 1ff.

[70]   Im Text steht Zhang [Huiyuan], doch der war vorher schon abgetreten. Vgl. Fo Dao lunheng 4.390, Anm. 23: lies Yao 姚 statt Zhang 張.

[71]   Im Text wieder Zhang; s. die vorangehende Anmerkung.

[72]   Er zitiert hier die Aussage des Daoisten.

[73]    Auch hier wieder Zhang, obwohl es eher Yao heißen müsste.

[74]   Ich emendiere die Interpunktion im Taishō-Text: 張生則逃狂無所。姚道又避愚無地。

[75]    Yaodao 姚道 ist unklar. Es handelt sich vermutlich um ein Wortspiel mit dem Namen Yao Daoshi.

[76]   Die Beziehung von „diesem“ und „jenem“ wird auch in Zhuangzi 2.32 thematisiert. Vgl. Watson 1964, 34f: „Everything has its ‘that’ and its ‘this’. From the point of view of ‘that’ you cannot see it, but through understanding you can know it. So I say, ‘that’ comes out of ‘this’ and ‘this’ depends on ‘that’ – which is to say that ‘this’ and ‘that’ give birth to each other. But where there is birth there must be death; where there is death there must be birth. Where there is acceptability there must be unacceptability; where there is unacceptability there must be acceptability […]. Therefore the sage does not proceed in such a way […]. He too recognizes a ‘this, but a ‘this’ which is also ‘that’, a ‘that’ which is also ‘this’ […]. A state in which ‘this’ and ‘that’ no longer find their opposites is called the hinge of the Way […].“

[77]    Quantoren, chin. jianbieyu 簡別語, waren bestimmte, festgelegte Worte, die eine Eingrenzung der Begriffsinhalte der Thesenkomponenten erlaubten, sodass die Forderung nach bilateraler Akzeptanz der einzelnen Thesenglieder erfüllt werden konnte. Das Adverb tan 嘆 gehört zwar nicht zu dieser Gruppe, hat jedoch hier die Funktion der Eingrenzung des Begriffes „nennen“. Zu der Bedeutung, Funktion und Verwendung von Quantoren vgl. Frankenhauser 1996, 55.

[78]    Vgl. hierzu Jizang 吉藏 (549–623), Erdi yi 1.90, übersetzt in Fung Yu-lan 1952, Bd. 2, 295f: „These three categories of double truth all consist of the idea of gradually renouncing (ordinary belief), like a framework which leads upwards from the ground. Why? Ordinary people say that the true account of things (dharmas) is that they exist; they do not realize that there is no cause for them to exist. Hence the Buddha propounds the thesis that in final analysis things are empty (k’ong), and have no cause to exist, and when things are said to have being, it is only being in the ordinary sense, and as such is mundane or ordinary truth. Whereas according to the knowledge of the worthies and sages, things are by nature empty: this is the Absolute or Sage Truth. Therefore, in order to induce people to pass from the mundane into the real, and to renounce the ordinary state for one of sageliness, this first level of the double truth is propounded.“ Vgl. ferner Erdi yi , 1.91, übersetzt in Fung Yu-lan 1952, Bd. 2, 296f: „According to the exposition of the Teachers, it [d. h. being and non-being] is both to be discarded and not discarded. As to discarding, what is connected with sentient beings must be discarded. Why? The state of being which you perceive is something that you erroneously think of (as real) […]. Therefore these must be discarded. For this purpose the concept of emptiness is employed to discard that of being. […]. But then when one is attached to (the concept of) emptiness, this too must be discarded in turn. Why? Because this emptiness is originally derived from being. Hence if there is then no longer being, how can there be emptiness? […].“

[79]    Ich folge hier der Lesart der koreanischen Ausgabe des Textes, 521b, die anstelle von chi’e 鴟鶚chixiao 鴟鴞 liest. Chixiao bezeichnet eine Eulenart, die für ihr pietätloses Verhalten berüchtigt ist. Der Begriff wird im Shijing , Maoshi Nr. 155, 8.2.394 verwendet. Vgl. Waley 1937, Nr. 231, 235. Waley merkt an, dass die Eule, traditionell als böser Vogel betrachtet, in dem Gedicht die rebellischen Brüder Chengs repräsentiert.

[80]   Es ist mir nicht klar, ob die vier Zeichen 姚即發言 noch zur direkten Rede Yibaos gehören, oder ob diese vier Worte schon Kommentar Daoxuans sind. In der koreanischen Ausgabe des Textes, 521b, ist yunyun 云云 klein an die Seite geschrieben. Dies spricht dafür, dass Daoxuan erst an dieser Stelle abgekürzt hat und dass die vier Schriftzeichen noch zur Rede Yibaos gehören.

[81]   Ich emendiere die Interpunktion des Taishō Textes: 斯言無有從。于時天子欣然。

[82]   Neigong 內宮 bezeichnet die Frauengemächer. Der Ausdruck steht parallel zu tianzi 天子 im vorangehenden Satz. Ich nehme an, dass der Ausdruck hier metonymisch die Kaiserin bezeichnet.

[83]   Wu 吳 bezeichnet das Gebiet des alten Staates Wu der Zhanguo-Zeit, d. h. das Gebiet der heutigen Provinzen Jiangsu, Zhejiang, Jiangxi, Fujian, Hunan, Guangdong, Guangxi. Yibao stammte aus Changzhou 常州 in Jiangsu.

[84]   Sanwu 三吳 wird als Bezeichnung für verschiedene Dreiergruppen von Orten im Gebiet des alten Staates Wu, dem südöstlichen Teil von Jiangsu, unterhalb des Unterlaufs des Changjiang und oberhalb des Taihu Sees an der Grenze zu Zhejiang, verwendet: Hier sind wohl Suzhou 蘇州, Changzhou 常州 und Huzhou 湖州 gemeint; doch der Begriff sanwu bezeichnet auch Wuxing吳興, Wujun吳郡 und Kuaiji會稽 oder Danyang丹陽.

[85]   Es ist nicht ganz klar, wen er hier meint. Tatsache ist, dass aus der Region Jiangsu, der Gegend der Hauptstadt der südlichen Dynastien, viel hervorragende Literatur der Nanbeichao-Zeit stammt. So wurde z. B. auch das Wenxuan 文選 von Xiao Tong 蕭統 (501–531) in jener Region zusammengestellt.

[86]   Hengmu 橫母: Da die Augen der Menschen waagerecht sind, wird der Begriff als Bezeichnung für die Menschen verwendet. Vgl. z. B. Zhuangzi 12.197.

[87]   Dieser Satz spielt an auf eine Anekdote aus der Biographie Xue Zongs 薛綜 in Sanguo zhi , „Wu zhi“ 53.1217c: Vor dem Herrscher Sun Quan 孫權 (182–252) des Staates Wu beschimpften (chao 嘲) Zhang Feng 張奉 und Kan Ze 闞澤 einander. Als Kan nicht antworten konnte, griff Xue Zong ein:「蜀者何也?有犬為獨,無犬為蜀,橫目苟身,虫入其腹。」奉曰:「不當復列君吳邪?」綜應聲曰:「無口為天,有口為吳,君臨萬邦,天子之都。」 „Was ist denn [der Staat] Shu? Gibt es einen Hund, so ist es ‚allein‘, gibt es keinen Hund, so ist es Shu, [es handelt sich hier um ein Wortspiel, das auf der Zusammensetzung des Schriftzeichens beruht: Du , ‚allein‘ hat das Radikal ‚Hund‘ und das phonetische Element shu ], quergestellte Augen [dies bezieht sich auf den oberen Teil des Schriftzeichens für shu ], einen Hundekörper [gou ist homonym zu dem Wort für Hund], Insekten [d. h. das Radikal Nr. 142, wörtlich Insekt] sind in seinem Bauch.“ [Zhang] Feng sagte darauf: „Solltet ihr nicht auch etwas über Euer Wu [die Heimat Xues] sagen?“ [Xue] Zong erwiderte: „Ohne [das Zeichen] Mund ist es der Himmel, mit Mund ist es [der Staat] Wu. Ihr, mein Herr, seid hier in der Hauptstadt des Himmelssohns der 10.000 Staaten.“

[88]   Tipo 提婆 bezeichnet Deva (d. h.Kāņadeva oder auch Āryadeva; 3. Jhd. n. Chr.), einen Schüler Nāgārjunas. Das Schlagen der Dharmatrommel durch Deva spielt auf eine Legende, die in Xuanzangs Da Tang xiyu ji 8.912c16-913a21 (vgl. Beal 1957, Bd. 3, 331ff) berichtet wird, an: In Vaişali wurden die Buddhisten von den Häretikern in einer Debatte geschlagen. Zur Strafe verfügte der dortige König, dass die Buddhisten nie wieder die Dharmatrommel (ghaņţā , fagu 法鼓) schlagen dürften um zu Versammlungen aufzurufen. Deva, Schüler Nāgārjunas, hörte davon und bat Nāgārjuna, ihn gehen zu lassen, um gegen die dortigen Häretiker zu diskutieren. Nāgārjuna wollte selbst gehen, doch Deva bestand darauf, dass dies nicht nötig wäre. Zum Beweis bat er seinen Meister die Gegenposition in einer Debatte gegen ihn selbst zu übernehmen. Nāgārjuna ging auf den Vorschlag ein, und musste sich nach 7 Tagen Debattierens geschlagen geben. So ließ er Deva nach Vaişali ziehen. Deva gelang es verkleidet in die Stadt einzudringen, obwohl dort auf Bitte der Häretiker, die seinen Ruf fürchteten, ein Zugangsverbot für fremde Mönche erlassen worden war. So schlug er am frühen Morgen die ghaņţā . Nachdem die Bevölkerung der Stadt ihm erklärt hatte, dass das Schlagen der ghaņţā verboten sei, entgegnete Deva: „Nevertheless, I venture to sound afresh the drum of the law.“ (Beal 1957, 333) Daraufhin wurde eine Debatte zwischen Deva und den Häretikern angeordnet. „Then the heretics came together with their flags and drums, and began to discuss together with respect to their opinions: each displayed the point of his argument to his best ability. Then Deva Bodhisattva, having mounted the preaching throne, attending to their former arguments, and following each point, refuted them one by one. In less than one hour he refuted the sectaries, and the king and his ministers being satisfied, […]“(Beal 1957, 333).

[89]   Shenzi 身子 bezeichnet Śāriputra. Vgl. Ji Xianlin in Da Tang xiyu ji jiao zhu , 382: Śāriputra wurde besonders von den Abhidharma-Anhängern verehrt; auch er besiegte Häretiker mit seiner Disputierkunst. S. a. ebd., 499.

[90]   Wörtlich: „Die Pferde eines Vierergespanns können die ausgesprochenen Worte nicht einholen.“ Der Ausdruck geht zurück auf Lunyu , „Yanyuan“ 12, 15.267.

[91]   Ich emendiere die Interpunktion des Taishō-Textes: 脫付法推罪當不敬。賴聖上慈弘恕其不逮不敬之罪。

[92]   Es folgt hier noch ein kurzer Kommentar Daoxuans, der nicht übersetzt wird.

[93]   Vgl. Jiu Tang shu 4.3494b: Der Kaiser hielt sich seit dem 6. Monat des 5. Jahres der Ära Xianqing in Luoyang auf.

 
   
   
   

Die Debatte 663 im Penglai-Palast

三年四月十四日於蓬萊宮月陂北亭。與道士姚義玄等五人。西明寺僧子立等四人講論。

Am 14. Tag des 4. Monats des 3. Jahres [der Ära Longshuo] (663) diskutierten vier Mönche des Ximing-Klosters, u. a. Huili, im nördlichen Pavillon am Mondberg[1] im Penglai-Palast mit fünf Daoisten, unter ihnen Yao Yixuan.

其日晚敕放道人道士各還觀寺別敕留僧靈辯及道士二人。至十五日乃放還。

An jenem Tag war es [schon] spät. Ein kaiserlicher Befehl entließ Mönche und Daoisten, ein jeder sollte in seinen Tempel oder sein Kloster zurückkehren. Ein weiterer Befehl aber hielt Lingbian und zwei von den Daoisten zurück. Erst am 15. Tag sollten sie zur Rückkehr entlassen werden.

初十四日。道士方惠長開老經題。

Zuerst, am 14. Tag, erklärte der Daoist Fang Huichang den Titel des Klassikers Lao[zi] [d. h. des Daode jing].

靈辯問曰。向陳道德唯止老教。亦在儒宗。

Lingbian fragte ihn:
„Bei der bisherigen Darstellung von Dao und De habt Ihr Euch nur auf die Lehre Laozis, (d. h. den Daoismus,) beschränkt – [doch Dao und De] existieren doch auch im Konfuzianismus!“

答。道經獨有儒教所無。

Antwort:
„Der daoistische Klassiker[2] hat alleine etwas, das der Konfuzianismus nicht hat.“

難。孝經曰。有至德要道。易云。一陰一陽謂之道。此則已顯於儒家。豈獨明於老氏。

Einwand:
„Im Xiaojing heißt es: ‚[Sie] hatten die höchste Tugend und das essentielle Dao.‘[3] Im Yijing heißt es: ‚Ein Yin und ein Yang, das nennt man Dao.‘[4] Dieses [d. h. Dao und De] ist demnach doch schon bei den Konfuzianern zu sehen. Wieso sollte es denn allein bei den Daoisten klar [sichtbar] sein!“

Der Opponent führt zwei Beweise aufgrund von schriftlicher Autorität für seine Behauptung an. Die zitierten Texte entstammen der konfuzianischen kanonischen Literatur, die sowohl von Daoisten als auch von Buddhisten als autoritativ anerkannt war.

答。自然之道為本。餘者為末。

Antwort:
„Das Dao, welches aus-sich-selbst-so-ist (ziran)[5] [von dem der Daoismus spricht] ist die Wurzel [allen Seins], bei allen anderen ist es [auf den Bereich der] Welt [bezogen].“[6]

Der Daoist grenzt zunächst den Begriff Dao durch ein Attribut ein: das Dao des „Aus-Sich-Selbst-So-Seienden“. Von diesem Dao des ‚Aus-Sich-Selbst-So-Seienden‘ behauptet er, es bezeichne im Daoismus den Ursprung [allen Seins], in den vom Buddhisten angeführten Zitaten dagegen beziehe sich Dao auf den Bereich der ‚Welt‘: In dem Zitat aus dem Xiaojing ist Dao etwas, das der König ‚hat‘,d. h. es steht nicht über dem König, sondern ist quasi ein Attribut des Königs. Im Falle des Yijing - Zitates ist das Dao gleichgestellt mit yin 陰 und yang 陽.
Daher bezeichnet der Begriff Dao in keinem der beiden Texte den absoluten, allem zugrundeliegenden Ursprung, welchen die Daoisten mit dem Begriff Dao assoziieren.
Zur Erläuterung der Position des Daoisten sei hier auf Daode jing 42 verwiesen: „Das Dao brachte das Eine hervor, das Eine brachte Zwei (d. h. hier yin und yang) hervor.“
Hier ist das Dao das Grundlegende, Höchste, aus dem sich dann alles andere ableitet.

難自然之道不攝在陰陽。老氏可為本。陰陽亦苞於自然。周易豈為末。

Einwand:
„Das Dao des ziran ist nicht [ausschließlich] in yin und yang enthalten. [Insofern] kann [man sagen], dass [das Dao] bei den Daoisten die Wurzel [allen Seins] ist. [Aber] yin und yang sind auch im ziran enthalten; wie könnte da das Zhouyi (d. h. Yijing) [das Dao] für etwas halten, das [nur] den Bereich der Welt betrifft? [7]

答。元氣已來大道為本。萬物皆從道生。道為萬法祖。

Antwort:
„Seit dem Ursprünglichen Äther[8] ist das große Dao der Ursprung. Die 10.000 Dinge entstehen alle aus dem Dao. Das Dao ist der Urahn der 10.000 Dinge.“

難曰。道為物祖不異前言。老易同歸若為遣難。

Einwand:
„Dass das Dao der Urahn aller Dinge ist, [diese Tatsache] ist nicht verschieden von den vorherigen Worten. Laozi [d. h. Daode jing] und Yijing laufen auf dasselbe hinaus, wie willst du denn nun noch meinen Einwand entkräften?“

惠長不能答。因嘲之曰。昔列子纔遇季咸。怳然心醉。黃冠暫逢緇服。不覺魂迷上大笑。令更難。

[Fang] Huizhang konnte nicht antworten. Daher schimpfte er:
„Einst, als Liezi gerade den Magier Ji Xian getroffen hatte, da betrachtete er ihn ehrfürchtig, sein Geist war völlig verwirrt.[9] [Heute] trifft ein Daoist [hier] kurz einen Buddhisten, und ohne sich dessen gewahr zu werden, wird sein Geist verwirrt!“
Der Kaiser lachte laut. [Dann] befahl er weiter zu diskutieren.

靈辯奏曰。向者纔申短略黃巾以成瓦解。今若更憑神算赤舌將必冰銷。

Lingbian sagte:
„Das frühere[10] gerade jetzt zu berichten, ist eine kurzsichtige Strategie; der Daoist macht damit seine Niederlage perfekt.[11] Wenn er sich jetzt noch mehr auf solche wunderbaren Strategien verlässt, dann bringt seine rote Zunge[12] sicherlich das Eis zum Schmelzen!“

上又笑。

Der Kaiser lachte wieder.
Der Buddhist beginnt nun eine neue Debatte, anknüpfend an die letzte Aussage des Daoisten, bevor dieser zur Polemik überging. Diese Aussage, „das Dao ist der Urahn aller Dinge“ wird technisch gesehen damit zur These. Die Debatte wird wieder mit einer Frage, die der näheren Bestimmung eines Elementes der These dient, eingeleitet.

重問曰。向云。道為物祖能生萬象。以何為體。

Nochmals fragte er [d. h. Lingbian]:
„Vorhin habt Ihr gesagt, das Dao ist der Urahn der Dinge, und es kann die 10.000 Erscheinungen hervorbringen. Was ist denn seine Substanz?“

答。大道無形。

Antwort: „Das große Dao hat keine Form.“[13]

In der folgenden Debatte greift der Buddhist mit verschiedenen Argumentationsansätzen das Konzept des Dao als einerseits formloses Nicht-Sein, und andererseits Ursprung des form-habenden Seins an. Die Verbindung dieser beiden logisch gegensätzlichen Aspekte stellt eines der grundlegendsten und schwierigsten philosophischen Probleme des Daoismus dar.

難。有形可有道。無形應無道。[14]

Einwand:
„Gibt es Form, dann kann es auch ein Dao geben; gibt es keine Form, dann sollte es auch kein Dao geben.“

Der Buddhist baut seine Argumentation nun mit einem logischen Argument im Modus tollens (d. h. aus p folgt q, nicht q daher nicht p) auf. Diese Vorgehensweise kann als sophistisch bezeichnet werden, denn er vertauscht Subjekt (Dao) und Prädikat (nicht Form-Haben) der Aussage des Daoisten. Der Begriff Form-Haben erhält dabei einen größeren Begriffsumfang, dem auch der Begriff Dao untergeordnet ist.[15]
Doch, wie auch der Buddhist sicherlich weiß, ist das Dao eine Bezeichnung für das Absolute, das durch nichts bedingt sein kann.
Auf der Ebene der Sprache, auf der sich die Debatte ja gezwungenermaßen abspielt, führt das Konzept eines Dao, das jenseits aller möglichen Unterscheidungen liegt, und daher auch als „Nichtsein“ (Absenz aller möglichen Definitionen oder Unterscheidungen) bezeichnet wird, allerdings zu einem Widerspruch. Dieser Widerspruch ist im Kontext einer kontroversen Debatte, wo mit dem Mittel Sprache und den Regeln des logischen Denkens gearbeitet wird, nicht lösbar. Insofern gelingt es dem Buddhisten hier, dem Daoisten einen Widerspruch zur „direkten Wahrnehmung“ vorzuwerfen.

答雖復無形何妨有道。

Antwort:
„Selbst wenn es Nicht-Form ist, was hindert das daran, dass es das Dao gibt?“

難。無形得有法亦可有形。是無法有形不是無。無形不有道。

Einwand:[16]
„Wenn Nicht-Form erreicht, dass Dinge[17] existieren, dann geht es auch [zu sagen]:
Das Form-Haben ist das Nicht-Existieren der Dinge.
[Da nun aber] das Form-Habende [offensichtlich] nicht das Nicht-Sein ist,[18] [dann kann] das Nicht-Form-Habende [auch] nicht ein Dao sein.“[19]

Der Buddhist besteht auf seiner Argumentation:
Er greift die Behauptung des Daoisten [nicht A à B] auf und fordert auch hier die logische Umkehrbarkeit: Wenn [nicht A à B] gilt, so muss auch [A à nicht B] gelten.
Da die letztere Aussage [A à nicht B], Form-Haben [A] ist das Nicht-Existieren der Dinge [nicht B] offensichtlich der „direkten Wahrnehmung“ widerspricht, ist diese Aussage falsch. Ist diese Aussage falsch, so muss auch die vorherige, aus der sie abgeleitet wurde, falsch sein.

答。大道生萬物。萬法即是道。何得言無道。

Antwort:
„Das große Dao bringt die 10.000 Wesen hervor. Die 10.000 Wesen sind gerade das Dao.[20] Wie ginge es da an, zu behaupten, es gäbe kein Dao!“

Der Daoist bringt hier einen weiteren, mit der Frage des Verhältnisses von Sein und Nichtsein eng verbundenen Aspekt des Dao ins Spiel: den des Hervorbringens aller Dinge.[21]

難。象若非是道。可使象外別有道。道能生於象。既指象為道。象外即無道。無道說誰生。

Einwand:
„Wenn die Dinge[22] nicht das Dao sind, dann kann man daraus folgern, dass es außerhalb der Dinge noch ein [von den Dingen] verschiedenes Dao gibt.
[Und nur wenn dies der Fall ist, kann man behaupten:]
Das Dao kann die Dinge hervorbringen.
Nachdem [Ihr] aber auch darauf hingewiesen habt, dass die Dinge das Dao sind,
dann gibt es doch außerhalb der Dinge kein Dao.
Gibt es [nun aber] kein Dao, [dann] sage [mir doch einmal], wer hervorbringt?“

Der Buddhist geht auf die Aussage des Daoisten ein. Doch er hält fest, dass ein Hervorbringen nur möglich ist, wenn etwas, das hervorbringt, getrennt von dem Hervorgebrachten existiert. So ist die notwendige Bedingung dafür, dass das Dao hervorbringen kann, dass es getrennt von den Dingen existiert.
Diese These stellt er voran, um sie dann mit der Aussage des Daoisten, die Dinge seien das Dao, d. h. das Hervorbringende sei identisch mit dem Hervorgebrachten, zu kontrastieren.
Argumente gegen den Glauben an eine Ursache, die in ihrer Natur ewig und allgegenwärtig ist, und zugleich alles Sein hervorbringt, finden sich in vielen der Schriften, die Xuanzang in China eingeführt hatte.
Dabei wird zumeist der chinesische Glaube an ein ziran 自然, das alles hervorbringt, mit dem Glauben an Iśvara in Indien verglichen.[23] Da ziran im Kontext dieses Argumentes im Sinne von Dao in der Argumentation dieser Debatte verstanden werden kann, ist das Argument übertragbar.
Es sei an dieser Stelle auf die im Xianyang shengjiaolun (10.527b2f) vorgeschlagene Argumentation gegenüber denjenigen, die den Glauben an eine Schöpfung durch Iśvara oder ähnliches vertreten, hingewiesen: Das zweite Argument, she bu she 攝不攝, schlägt die Frage danach vor, ob Iśvara in der Welt enthalten ist oder nicht. [Antwortet der Gegner „er ist enthalten“, so entgegnet man]: „Ist Iśvara in der Welt enthalten, so ist er gleich mit den Dharmas der Welt, und dass er alle Dharmas hervorbringen kann, ist deshalb unsinnig. Ist er aber nicht in der Welt enthalten, so ist er die Befreiung, und dann zu behaupten, er bringe die Welt hervor, ist unsinnig“.
Das Argument des Buddhisten gleicht dem ersten Teil dieser Argumentation:
Ist das Dao in den Dingen enthalten, so kann es diese nicht hervorbringen; denn, wenn es in den Dingen enthalten ist, dann ist seine Natur wie die Natur der Dinge. [Dies bedeutet, dass entweder alle Dinge ewig und sich selbst hervorbringend sein müssen, oder dass das Dao endlich und durch etwas anderes hervorgebracht sein muss.][24] Daher muss das Dao von den Dingen völlig verschieden sein.

答。大道雖無形。無形之道能生於萬法。

Antwort:
„Obwohl das große Dao keine Form hat, so kann dieses formlose Dao doch die 10.000 Dinge hervorbringen.“

Die Behauptung des Buddhisten bestreitet der Daoist mit weiterem Beharren auf seiner vorherigen Aussage. Zur Erläuterung der Verbindung der beiden – sich in den Augen seines Debattengegners widersprechenden! – Eigenschaften „formlos“ und „hervorbringen können“ fügt er hier, als einzige inhaltliche Neuerung, ein sui 雖, obwohl, vor der ersteren Eigenschaft ein. Damit wird die paradoxe Natur des Dao angesprochen.
Der Buddhist reagiert darauf mit einer ganzen Reihe von Argumenten, die zu seinem vorläufigen Sieg in der Debatte führen.
Die Analogie von Mutter und Sohn, eine Metapher, die auch im Daode jing selbst verwendet wird, illustriert seine vorherige Behauptung, dass das Dao nur hervorbringen kann, wenn es getrennt von den Dingen existiert. Da es aber getrennt von den Dingen keine Form hat, ist es nicht möglich, schlüssig zu beweisen, dass es hervorbringt.

難。子外見有母。知母能生子。象外不見道。誰知汝道生。又前言。道能生萬法。萬法即是道。亦可如母能生子。子應即是母。又前言。道為萬法祖。自違彼經教。老子云。無名天地始。有名萬物母。母祖語雖殊。根本是一義。道既是無名。寧得為物祖。

Einwand:
„Außerhalb des Sohnes sieht man, dass es die Mutter gibt. [Daher] weiß man, dass die Mutter Söhne gebären kann.[25]
Außerhalb der Dinge sieht man aber kein Dao. Wer kann denn da wissen, ob dein Dao [wirklich] hervorbringt!
Außerdem hast du vorhin gesagt: ‚Das Dao kann die 10.000 Dinge hervorbringen. Die 10.000 Dinge sind gerade das Dao.‘
Da könnte man [ja] auch [sagen], [wenn] die Mutter den Sohn gebären kann, [dann] sollte der Sohn gerade die Mutter sein.
Außerdem hast du vorher gesagt: ‚Das Dao ist Ahnherr aller Dinge.‘
Da wendest du dich selbst gegen die Lehre jenes Klassikers (d. h. des Daode jing).
[Denn] Laozi sagt: ‚Das Unbenannte ist der Anfang von Himmel und Erde, das Benannte ist die Mutter aller Dinge.‘[26]
Obwohl die Begriffe Mutter und Ahnherr verschieden sind, so haben sie doch im Grunde dieselbe Bedeutung.
Da das Dao das ‚Unbenannte‘ ist, wie kann es da [gleichzeitig] Ahnherr der Dinge sein.“

Der Buddhist besteht auf einer, an der Textoberfläche durchaus vorhandenen, Trennung in das Namenlose (Unbenannte, wuming 無名) und das „Einen-Namen-Habende“ (Benannte, youming 有名). Dabei wird das Unbenannte mit dem Dao gleichgesetzt, und das Benannte als eine eigene Kategorie, verschieden vom Dao, interpretiert. In der Kommentarliteratur zum Laozi dagegen waren youming 有名 und wuming 無名 nicht als zwei verschiedene „Dinge“ interpretiert worden, sondern als zwei Aspekte des Dao.[27]
Der Daoist scheint von diesen Argumenten verwirrt, er schweigt.

惠長總領前語不得。

[Fang] Huichang schaffte es nicht, dem Verlauf der vorangegangenen Rede zu folgen.

因嘲之曰。既非得意何為杜默。已倒穀皮答吞米賊。

Daher schimpfte er [d. h. Lingbian] ihn:

„Wenn du schon nicht zufrieden bist, warum bist du dann so still und stumm? Schon abgenommen ist die Rindenkappe, die Antwort verschluckt der Reisdieb.“[28]

又難曰。道無有形。指象為道。形亦可道無有祖。指象為物祖。

Außerdem wendete er ein:
„Das Dao hat keine Form. [Man] weist auf die Erscheinungen als Form des Dao.[29]
Dann geht es auch [zu sagen]: Das Dao ist nicht ‚Ahnherr‘, man weist auf die Erscheinungen als Ahnherr der Dinge.“

Die Taktik der Argumentation ist gleich wie zuvor: Der Buddhist fordert, dass was für den einen Aspekt gilt, auch für den anderen Aspekt gelten muss.
Da der erste Aspekt eine ontologische Beziehung, der zweite eine genealogische Beziehung anspricht, führt diese Forderung zu einer „sinnlosen“ Aussage in Bezug auf den zweiten Aspekt.
Das Prädikat „ist nicht Ahnherr“ im zweiten Teil erklärt sich dabei aus der „Abwesenheit aller möglichen Kennzeichen“, die in dem Prädikat des ersten Teiles „hat keine Form“ ausgedrückt ist.

答。道為物祖象非物祖。

Antwort:
„Das Dao ist der Ahnherr der Dinge, die Erscheinungen sind nicht Ahnherr der Dinge.“

難。道別有形不得。象即道形。

Einwand:
„[Wenn] das Dao verschieden ist von dem Form-Habenden, dann geht es nicht [zu sagen], ’die Erscheinungen sind gerade die Form des Dao’.“[30]

答。大道無形。

Antwort:
„Das große Dao hat keine Form.“

難。大道非祖。

Einwand:
„[Dann gilt auch]: Das große Dao ist nicht der Ahnherr.“

Der Buddhist hatte eine Analogie der Aussagen „das Dao hat keine Form“ (mit dem Zusatz „die Dinge sind gerade das Dao“) und „das Dao ist der Ahnherr aller Dinge“ gefordert. Er stellt nun diese beiden Aspekte nebeneinander und fordert, was für den ersten Aspekt gilt, sollte auch für den zweiten gelten. Wenn der Satz „das Dao hat keine Form“ gilt, so muss auch der Satz „das Dao ist nicht Ahnherr“ gelten. Dieser letztere Satz steht im Widerspruch zum Text des Daode jing.
Die Schwierigkeit in der vorliegenden Debatte besteht darin, dass die beiden Aspekte insofern verschieden sind, als der mit wuxing (ohne Form) bezeichnete Aspekt des Dao das Dao jenseits aller möglichen Definitionen – auch räumlicher und zeitlicher Art – beschreibt, während das Dao in dem Aspekt des „Ahnherrn der Dinge“, Ursprung allen Seins, im chronologischen Sinne am Anfang des Werdens aller Dinge steht. Die Verbindung dieser beiden Aspekte stellte eines der größten philosophischen Probleme des Daoismus im Kontakt mit dem Buddhismus dar.[31]

答。道本無名。強為立名為物之祖。那得非祖。

Antwort:
„Das Dao ist ursprünglich ohne Name, gezwungenermaßen wird ihm ein Name gegeben,[32] [damit wird es dann] zum Ahnherr der Dinge.[33] Wieso sollte es denn da nicht der Urahn [aller Dinge] sein!“

Hier versucht der Daoist zum ersten Mal von seiner Seite aus eine Erklärung für das paradoxe Verhältnis von Dao zu den Dingen, von Nichtsein zum Sein, und für die Rolle, die das Dao einerseits als ewig und überall allem zugrundeliegendes „Nichtsein“, und andererseits als das, was die Dinge hervorbringt, d. h. als genealogisch erstes „Sein“, spielt, zu geben.
Er erklärt den Übergang vom Namenlosen zum Benannten mit dem Wort „gezwungenermaßen“.
Diese Antwort enthält gleichzeitig auch eine Rechtfertigung gegenüber dem zuvor erhobenen Vorwurf, er würde seiner eigenen Lehre, d. h. dem Daode jing, widersprechen.
Die Beziehung zwischen Namenlosem und Benanntem wird z. B. in Daode jing 1 und 25 mit Hilfe des Begriffes „gezwungenermaßen“ bestimmt. Ein Blick auf den Kommentar Cheng Xuanyings zu der relevanten Stelle in Daode jing 25 (吾不知其名,強字之曰道, 強為之名曰大) zeigt, wie sie in der frühen Tang-Zeit interpretiert wurde:
„Das Dao ist im Ursprung ohne Namen, und man kann es nicht durch Weisheit erkennen. Der Name des Dao, das ist gerade das, was das erste Kapitel [des Laozi] benennt, [wenn es sagt]: Das Namenlose ist der Anfang von Himmel und Erde. Man nimmt [die Tatsache], dass es die Kraft (de 德) hat, [alles] Leben zu durchdringen, und nennt es daher mit dem Beinamen ‚Dao‘. Dies ist gerade das, was das erste Kapitel benennt, [wenn es sagt]: Das Benannte ist die Mutter der zehntausend Dinge. Die Substanz hat keine Grenzen, daher nennt man es ‚groß‘. Nicht groß ist groß,[34] daher heißt es ‚gezwungenermaßen‘. Was den Namen angeht, so bezieht er sich auf die Substanz, den Beinamen nennt man, um die Kraft zu bezeichnen. ‚Dao‘ ist gerade die Funktion (yong 用), ‚groß‘ ist gerade die Substanz (ti 體). Daher ist der Name ‚groß‘ und der Beiname ‚Dao‘.“[35]
Die Antwort des Daoisten führt das Argument nicht ausführlich vor, doch es scheint, dass mit dem Konzept, welches in dem Begriff „gezwungenermaßen“ ausgedrückt ist, der Argumentation des Buddhisten, die auf streng logischen Kriterien beruhte, Einhalt geboten wird, denn dieselbe logische Argumentation unter Einbeziehung dieses Konzeptes führt zu beiderseits akzeptablen Aussagen:

難。道本無名。強為立名。亦可道本非祖強為物祖。

Einwand:
„Das Dao hat [also] ursprünglich keinen Namen, gezwungenermaßen wird ihm ein Name gegeben. [Wenn das richtig ist, dann] kann man auch [sagen, dass] das Dao ursprünglich nicht Ahnherr ist, und es gezwungenermaßen zum Ahnherr der Dinge gemacht wird.“

答。然。

Antwort:
„Das ist so.“

難。道本非是祖。非祖強說祖。亦可大道無有形無形強說形。

Einwand:
„Das Dao ist ursprünglich nicht der Ahnherr. Der ‚Nicht-Ahnherr‘ wird gezwungenermaßen als Ahnherr bezeichnet.
[Wenn das so richtig ist, dann] geht es auch [zu behaupten]: Das große Dao hat keine Form, das Formlose wird gezwungenermaßen als Form bezeichnet.“

又難。離象無別道。象未生時有道生。亦可離眼無別目。未有目時有眼見。

Weiter wendete er ein:
„Getrennt von den Erscheinungen gibt es kein anderes Dao.
Zu dem Zeitpunkt, als die Erscheinungen noch nicht geboren waren, gab es das Dao, das [die Erscheinungen] hervorbrachte.
Dann geht es auch, [zu sagen]: ‚Getrennt vom Augapfel gibt es kein anderes Auge.‘ Als es noch kein Auge gab, gab es den Augapfel, der sah.“

答。道是玄微。眼為麤法。二義不同。安得為類。

Antwort:
„Das Dao ist dunkel und subtil. Augen sind grobe Dharmas. Die beiden Bedeutungen sind nicht gleich, wie kann man sie denn als Analogie verwenden?“

Der Daoist kritisiert die Analogie als unzulässig, weil das Subjekt des ersten Beispiels der Ebene des Transzendenten entstammt, das zweite der Ebene der Dinge in der Welt. Die Charakteristiken dieser beiden Ebenen sind unterschiedlich und es kann daher kein Analogieschluss gezogen werden.
Doch der Buddhist wirft nun denselben Fehler dem Daoisten vor: Die Verbindung von Begriffen, die sich gegenseitig ausschließenden Begriffskategorien zugeordnet sind, nämlich Begriffe, die den Kategorien Sein und Nichtsein zuzuordnen sind. Der Daoist bleibt eine Antwort schuldig, und damit gewinnt der Buddhist die Debatte.

難。象是質礙。道本虛無。有無性乖。若為同體。

Einwand:
„Erscheinungen sind von der Materie begrenzt. Das Dao ist ursprünglich leeres Nichtsein. Sein und Nichtsein, die Form [der beiden] ist verschieden. Wie könnten sie da die gleiche Substanz haben.“

惠長又無答。

[Fang] Huichang hatte wieder keine Antwort.

辯奏曰。靈辯忝預玄門實懷慈忍。雖逢死雀不願重彈。

Lingbian sagte:
„Ich gehöre dem Buddhismus an, und [wir] tragen wirklich Gnade und Geduld im Herzen. Wenn man auf einen toten Spatzen trifft, wünscht man nicht, nochmals zu schießen.“

上大笑稱善。

Der Kaiser lachte laut und sagte: „Gut!“

五月十六日。於蓬萊宮。又與道士論難。其道士對答不相領。當無可記錄。

Am 16. Tag des fünften Monats diskutierte [Lingbian] wieder mit den Daoisten im Penglai-Palast schwierige Fragen. Doch [diesmal] waren die Antworten der Daoisten unlogisch, sodass es nichts gab, was es wert gewesen wäre, aufzuzeichnen.



[1]    Vgl. Schafer 1967, 182f: „Music and dancing were so loved by the T’ang Chinese that a special section of the royal palace in Ch’ang-an was set aside to help train young students in these arts. It was called, simply, chiao-fang (“training center”) [jiaofang 教坊] […].“ Laut Zhongwen dazidian Nr. 14658.16 gab es ausserhalb der rechten und linken Unterrichtshöfe Wasserläufe. Da ihre Form dem Mond glich, nannte man sie yuepo 月陂.

[2]    Ich fasse den Begriff daojing 道經 in Bezug auf das Daode jing auf, es ist allerdings auch möglich, dass der Begriff im weiteren Sinne alle daoistischen Schriften bezeichnet.

[3]    Xiaojing, 1.7b1: 子曰:先王有至德要道。„Der Meister sagte: Die früheren Könige hatten die höchste Tugend und das essentielle Dao…“

[4]    Yijing, „Xici“ shang, 1.66a: 一陰一陽之謂道。

[5]    Wie schon in den zuvor übersetzten Debatten deutlich wurde, war das Verhältnis von Dao und ziran heftig diskutiert. Der Daoist verwendet hier den Begriff ziran als Attribut zu Dao. Dies ist bemerkenswert, denn damit wird die Frage danach, welche Kategorie höher, bzw. grundlegender ist, Dao oder ziran, von vornherein ausgeschlossen.

[6]    Die Begriffe ben 本 und mo 末, wörtlich Wurzel und Zweig, bezeichnen hier den Ursprung alles Seienden und den Bereich der Welt und ihrer Verwaltung. Vgl. hierzu Sima Tans 司馬談 (165–110) „Liujia zhi yaozhi“ 六家之要指 in: Shiji 130.358a-b. Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Professor R. G. Wagner.

[7]    Vgl. hierzu den in der frühen Tang-Zeit verfassten Kommentar des Zhouyi zhengyi 7.66 a zu dem zitierten Satz des Yijing: „Obwohl das Dao Nicht-Sein in Yin und Yang ist, so ist es doch nicht getrennt von Yin und Yang; obwohl Yin und Yang aus dem Dao entstehen, so sind sie doch nicht das Dao.“

[8]   Vergeiche Cheng Xuanyings Kommentar zu Daode jing 42 in: Jingzi congzhu, Bd. 6, 472: „Das ‚Eine‘ ist der Ursprüngliche Äther; ‚Zwei‘, das sind Yin und Yang; ‚Drei‘, das sind Himmel, Erde und Mensch; ‚die zehntausend Dinge‘, das ist alles, was Bewusstsein hat und kein Bewusstsein hat. Dies besagt, dass, was den wunderbaren Ursprung des höchsten Dao anbelangt, dessen Substanz jenseits von Form und Namen ist. Vom Ursprung gelangt man zu den Manifestationen. Zuerst wird der Ursprüngliche Äther hervorgebracht, und dann werden durch Wandlung aus dem Ursprünglichen Äther Yin und Yang hervorgebracht…“ Vgl. ferner den zwischen 642 und 650 verfassten Kommentar Zhouyi zhengyi von Kong Yingda zu dem Begriff taiji 太極 in „Xici“ shang, 1.82a: „Taiji bedeutet: als Himmel und Erde noch nicht getrennt waren, war der Ursprüngliche Äther undifferenziert und war Eins, dies ist gerade der Große Anfang, das Große Eine. Daher sagt Laozi: Das Dao bringt das Eine hervor – [damit meint er] gerade dieses taiji…“

[9]    Dies spielt auf eine Anekdote, die in Liezi 2.22, und Zhuangzi 7.134 überliefert ist, an. Vgl. Watson 1964, 92: „In Cheng there was a shaman of the gods named Chi Hsien. He could tell whether men would live or die, survive or perish, be fortunate or unfortunate, live a long time or die young, and he would predict the year, month, week, and day as though he were a god himself. When the people of Cheng saw him, they dropped everything and ran out of his way. Lieh Tzu went to see him and was completely intoxicated. Returning he said to Hu Tzu, ‘I used to think, Master, that your Way was perfect. But now I see there is something even higher!’“… In der Folge entgegnet Hu Zi Lie Zi, er hätte ihm bis jetzt nur das Äußere seines Weges (seiner Lehre) gezeigt, das Essentielle sei ihm noch verborgen. Er bat Lie Zi diesen Magier, von dem er so beeindruckt sei, mit zu ihm zu bringen, damit er diesem zeigen könne, wer er sei. Darauf erschien Hu Zi dem Magier bei verschiedenen Besuchen immer anders, in verschiedenen kosmischen Formen. Der Magier konnte ihn nicht einschätzen, und floh beim dritten oder vierten Treffen.

[10]    D. h. die Anekdote der Begegnung von Lie Zi und Ji Xian.

[11]     Vgl. das Sprichwort wajie bingsuo 瓦解冰消, ein Ausdruck für eine schnelle und vollkommene Niederlage, so wie ein Ziegel zersplittert oder Eis schmilzt.

[12]    Vgl. das Sprichwort chi she shao cheng 赤舌烧城 (aus Yang Xiongs Taixuan jing): Es bezeichnet den Schaden, der mit einer [bösen] Zunge angerichtet werden kann.

[13]    Die Aussage, dass das Dao ohne definierbare Form ist, war von den meisten Kommentatoren des Daode jing akzeptiert. Vgl. Heshang gongs Kommentar zu Daode jing 1 (無名天地之始): 無名者謂道。道無形故不可名也。(Laozi Daode jing Heshang gong zhangju 1.2), ebenso den Kommentar von Wang Bi: 言道以無形無名始成萬物。(Daode jing 1.1).

[14]    Ich emendiere die Interpunktion des Taishō-Textes: 有形可有道 。 無形應無道。

[15]    Vgl. hierzu Harbsmeier 1998, 380f und 383.

[16]    Ich emendiere die Interpunktion des Taishō-Textes: 難。無形得有法。亦可。有形是無法。有形不是無。無形不有道。

[17]    Fa 法: Im gesamten Abschnitt wird der Begriff fa als Synonym zum Begriff wu 物 im Sinne des Ausdrucks wanwu 萬物 gebraucht. Diese Bedeutung leitet sich aus der buddhistischen Verwendung des Begriffes fa, dharma, im Sinne von Wesen, Monade, ab.

[18]    Denn etwas, das Form hat, muss notwendigerweise existieren.

[19]    Dieser letzte Satz, 無形不有道, widerlegt nun den Satz des Daoisten 無形何妨有道。 Grammatikalisch ist hier allerdings bu you 不有 parallel zu bu shi 不是 im vorangehenden Satz. Nach dieser Parallelität richtet sich die Übersetzung. In Bezug auf den Satz des Daoisten müsste man diesen letzten Satz allerdings wie folgt übersetzen: „[Was] das Formlose [anbelangt], so [kann es nicht sein, dass darin] ein Dao existiert.“ Diese Übersetzung erfasst die Widerlegung des Argumentes des Daoisten besser, doch geht dabei die logische Abfolge der Argumentationskette des Buddhisten verloren. Die Ambiguität der chinesischen Grammatik, die hier wohl bewusst genutzt wurde, lässt sich in die deutsche Sprache leider nicht übertragen.

[20]    Vgl. hierzu Cheng Xuanyings Kommentar zu Daode jing 21 (道之為物惟恍惟淴) (Jingzi congzhu, Bd. 6, 379): 言至道之為物也,不有而有, 雖有不有,不無而無,雖無不無,有無不定,故言恍惚。所以言物者,欲明 道不離物,物不離道,道外無物,物外無道。„[Huanghu] benennt das, was das höchste Dao für die Dinge ist: Nicht Sein und doch Sein. Obwohl Sein, doch auch nicht Sein. Nicht Nichtsein und doch Nichtsein. Obwohl Nichtsein, doch nicht Nichtsein. Sein und Nichtsein lassen sich [in Bezug auf das Dao] nicht festlegen, daher heißt es ‚unbestimmt‘. [Der Grund, dass] er [d. h. Laozi] ‚Dinge‘ sagt, ist, dass er erklären will, dass das Dao nicht getrennt von den Dingen ist und die Dinge nicht getrennt vom Dao sind. Außerhalb des Dao gibt es keine Dinge und außerhalb der Dinge gibt es kein Dao. …“

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[21]    Vgl. Robinet 1999, 133/134.

[22]    Xiang 象, wörtlich: „Lineatur“, „Abbild“, ist hier synonym zu wu 物 im Begriff wanwu 萬物 gebraucht.

[23]    Vgl. z. B. Cheng weishi lun 1.3b13f oder Xianyang shengjiao lun 10.527, s.u.

[24]    Vgl. hierzu Cheng weishi lun 1.3b7-13: „Es gibt welche, die daran festhalten, es gäbe Maheśvara. Dessen Substanz sei real, allgegenwärtig und ewig. Er könne alle Dharmas hervorbringen. Jener Standpunkt ist unsinnig. Warum? Weil: wenn ein Dharma hervorbringen kann, dann ist es notwendig nicht ewig. Weil: alles was nicht ewig ist, ist notwendig auch nicht allgegenwärtig. Weil: Alles was nicht allgegenwärtig ist, ist nicht wahre Realität. Da die Substanz ewig und allgegenwärtig ist, so müsste die vollkommene Funktion gemeinsam an allen Orten und zu jeder Zeit [manifest] sein und gleichzeitig alle Dharmas hervorbringen […].“

[25]    Vgl. hierzu Daode jing 52.32; in der Übersetzung von Waley 1934, 206: „That which was the beginning of all things under heaven, We may speak of as ‘the mother’ of all things. He who apprehends the mother, Thereby knows the sons. And he who has known the sons, Will hold all the tighter to the mother, And to the end of his days suffer no harm […].“

[26]    Daode jing 1.1.

[27]    Vgl. z. B. den Kommentar Wang Bis zu dem Satz aus Daode jing 1. S. Wagner 2003, 121:

         „When there are not [now] names, it
         [the Way] is the beginning of the ten
         thousand kinds of entities.

         When there [already] are names,
         it [the Way] is the mother of the ten
         thousand kinds of entities.

         Generally speaking,
         Entity all begins in negativity.
         That is why it [the Way] will be

         at a time, when there are neither
         shapes nor names, the beginning of
         the ten thousand kinds of entities.

         when it comes to a time when there
         are shapes and names, that which
         [according to Laozi 51.3] ‘lets [the ten
         thousand kinds of entities] grow, and nurtures them,
         specifies them and completes them,’
         [in short] it will be their mother. …”

Vgl. ferner Robinet 1999, 134ff.

[28]    Reisdieb ist eine derogative Bezeichnung für die Anhänger der Himmelsmeister (tianshi dao), die von ihren Anhängern eine Steuer von fünf Scheffeln Reis forderten.

[29]    Ich emendiere die Interpunktion des Taishō-Textes: 道無有形。指象為道形。亦可道無有祖。指象為物祖。

[30]    Ich emendiere die Interpunktion des Taishō-Textes: 道別有形 不得 象即道形。Aussage A (dao bie you xing) erreicht es nicht logisch zu schließen auf (bude) Aussage B (xiang ji dao xing).

[31]    Vgl. hierzu auch Assandri 2009, 100-109.

[32] Vgl. Daode jing 25.14: 有物混成, 先天地生。寂兮寥兮獨立不改,周行而不殆,可以為天下母。吾不知其名,強字之曰道。強為之名曰大。

[33]    Vgl. auch Li Rongs Kommentar zu Daode jing 1, Satz 2 (Jingzi congzhu, Bd. 6, 741): „Das Dao ist dunkel (xuan 玄), die Tugend ist wunderbar (miao 妙), das Prinzip [der beiden] ist jenseits von Sein und Nichtsein. Sind Sein und Nichtsein einmal beseitigt, so werden auch die Namen und Bezeichnungen eliminiert. So ist es dann so, dass die Anwendung (yong 用) der alldurchdringenden Leere alles umfasst. Daher ist es nicht Nichtsein, und doch Nichtsein (fei wu er wu 非無而無) – dieses [solchermaßen zu charakterisierende] Namenlose ist der Ursprung und Anfang der beiden Urelemente [d. h. Yin und Yang, bzw. Himmel und Erde]. Nicht Sein und doch Sein (fei you er you 非有而有) – [dieses solchermaßen zu charakterisierende] ‚Einen-Namen-Habende’ ist Vater und Mutter der zehntausend Dinge […].“

[34]    Nicht groß ist hier nicht im Sinne von dem Gegenteil von groß (d. h. „klein“), sondern im Sinne von einer Abwesenheit jeglicher definierbarer Eigenschaften, also auch der Abwesenheit der Eigenschaft groß, zu verstehen.

[35]    Cheng Xuanying, Kommentar zu Daode jing 25, in Jingzi congzhu, Bd. 6, 396.