Inhalt |
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1 |
Einleitung |
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1.1 |
Ziel der Arbeit |
1.2 |
Forschungsbereich und Arbeitsmethode |
1.3 |
Anmerkungen zu den verwendeten literarischen Quellen |
1.4 |
Allgemeine Hinweise zur Arbeit |
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Teil I |
Zannings Leben und Werk |
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2 |
Das Leben Zannings |
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3 |
Das Werk Zannings |
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3.1 |
Entstehung und Verbreitung des Werks |
3.1.1 |
Vervielfältigung durch den Blockdruck |
3.1.2 |
Das Tripiṭaka-Projekt |
3.1.3 |
Verlust der Tripiṭaka-Druckform |
3.1.4 |
Verbreitung des Tripiṭaka in Ostasien |
3.1.5 |
Revidierte Versionen des ersten Tripiṭaka |
3.1.6 |
Das Song gaoseng zhuan im Kontext des Tripiṭaka |
3.2 |
Inhalt, Form und Gehalt des Werkes |
3.2.1 |
Das profane Werk Sunpu |
3.2.2 |
Das buddhistische Lexikon Da Song sengshi lüe |
3.2.3 |
Das religiöse Hauptwerk Song gaoseng zhuan |
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Teil II |
Zanning und die Sinisierung des Buddhismus in China |
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4 |
Entwicklung des Buddhismus bis zu Lebzeiten Zannings |
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4.1 |
Der Buddhismus in der Sui- und Tang-Dynastie |
4.1.1 |
China als neues ostasiatisches Zentrum des Buddhismus
zur Sui-Zeit |
4.1.2 |
China und der interreligiöse Dialog zur Tang-Zeit |
4.2 |
Der Buddhismus in den Fünf Dynastien |
4.2.1 |
China und der Verfall des Buddhismus in den Kriegswirren |
4.2.2 |
Nordchina und die staatliche Reglementierungspolitik |
4.2.3 |
Südostchina und die Blütezeit des Buddhismus |
4.3 |
Der Buddhismus in der Nördlichen Song-Dynastie |
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5 |
Sinisierung des Buddhismus als Bedingung
für Zannings Programm |
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5.1 |
Sinisierung durch Aufkommen
chinesisch-buddhistischer Schulen |
5.2 |
Sinisierung indischer Namen und Sūtra-Überschriften |
5.3 |
Sinisierung durch Verpflichtung zum Gehorsam
gegenüber dem Staat |
5.4 |
Sinisierung durch Aufbau
eines staatlich gelenkten Verwaltungssystems |
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6 |
Das Sinisierungskonzept Zannings |
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6.1 |
Sinisierungsprogramm als Strategie |
6.2 |
Sinisierungsprogramm in der Kritik |
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7 |
Staatliche Maßnahmen zur Unterstützung
buddhistischer Sinisierung |
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7.1 |
Staatliche Tendenzen in Richtung Neokonfuzianismus |
7.2 |
Staatliche Förderung der säkularen Historiographie |
7.3 |
Staatliche Förderung der religiösen Historiographie |
7.4 |
Staatliche Förderung des Übersetzungsprojektes |
7.4.1 |
Voraussetzungen für die Übersetzungstätigkeit |
7.4.2 |
Aufbau eines staatlichen Übersetzungsinstituts |
7.4.3 |
Niedergang des Übersetzungsinstituts nach Zannings Tod |
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Teil III |
Zannings Übersetzungstheorie |
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8 |
Entwicklung der Übersetzung in Zannings Werk |
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8.1 |
Geschichte der Übersetzung vor der Einführung des Buddhismus in China |
8.2 |
Abriss der Übersetzung buddhistischer Sūtras ins Chinesische |
8.2.1 |
Drei-Phasen-Theorie Zannings |
8.2.2 |
Phase 1: Östliche Han- bis Westliche Jin-Dynastie (25–317) |
8.2.3 |
Phase 2: Östliche Jin- bis Sui-Dynastie (317–618) |
8.2.4 |
Phase 3: Tang-Dynastie (618–907) |
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9 |
Verfahren und Organisation der Übersetzung in Zannings Werk |
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9.1 |
Auszug aus Zannings Darstellung des Übersetzungsverfahrens |
9.2 |
Vergleich von Zannings Darstellung mit der von Zhipan |
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10 |
Historische Übersetzungstheorien in Zannings Werk |
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10.1 |
Dao’an-Schule |
10.1.1 |
„Fünf Abweichungen vom Original und Drei Schwierigkeiten“ |
10.1.2 |
Hamonie zwischen zhi und wen, ju und que |
10.2 |
Kumārajīva-Schule |
10.2.1 |
Vereinfachter literarischer Stil sowie freie Übersetzung |
10.2.2 |
Korrektur bzw. Revision buddhistischer Terminologie |
10.3 |
Yancong-Schule |
10.3.1 |
Abgrenzung zwischen „Hu“- und „Fan“-Ländern |
10.3.2 |
Historisch-kritische Analyse der Übersetzungsproblematik |
10.3.3 |
Schwierigkeiten einer Übersetzung nach Buddhas Tod |
10.3.4 |
Die acht Dinge, mit denen ein Übersetzer versehen sein sollte |
10.3.5 |
Sanskritstudien als Voraussetzung für die Sūtra-Übersetzung |
10.4 |
Xuanzang-Schule |
10.4.1 |
Der Anspruch an eine werkgetreue Übersetzung |
10.4.2 |
Die fünf Arten nicht zu übersetzender Ausdrücke |
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11 |
Übersetzungstheorie Zannings |
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11.1 |
Transkription, Übertragung sowie Veränderung
von Form und Laut (Regel 1) |
11.1.1 |
Orientierung am indischen Strukturprinzip |
11.1.2 |
Verwendung der Grundsätze indischer Formallogik
durch Zanning |
11.2 |
Bedeutung der richtigen Ausgangssprache für Zanning (Regel 2) |
11.2.1 |
Kritik an vermeintlicher „Unkultur“ der Barbaren |
11.2.2 |
Differenzierung zwischen hu und fan |
11.2.3 |
Geographische Lage der „Hu“- und „Fan“-Länder |
11.2.4 |
Ausgrenzung der „Barbarenkultur“ |
11.3 |
Direkte und indirekte Übersetzung (Regel 3) |
11.3.1 |
Vertauschung von direkter und indirekter Übersetzung |
11.3.2 |
Entwicklung buddhistischer Mission im „Hu“-Gebiet |
11.4 |
Sprachstil der Ausgangssprache (Regel 4) |
11.4.1 |
Unzulässige Differenzierung
zwischen Subanta- und Tiṅanta-Stil |
11.4.2 |
Älteste Überlieferungssprache Buddhas |
11.4.3 |
„Sprachpolitik“ buddhistischer Tradition |
11.5 |
Übersetzungsstil der Zielsprache (Regel 5) |
11.6 |
Übersetzung des mehrfachen Schriftsinns (Regel 6) |
11.6.1 |
Wörtliche Bedeutung und mystische Übertragung |
11.6.2 |
Transkription mystischer Formeln |
11.6.3 |
Die Fanqie-Methode |
11.7 |
Fazit zur Übersetzungstheorie Zanings |
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Teil IV |
Modernität der Übersetzungstheorie Zannings |
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12 |
Die Übersetzungstheorie Nidas |
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12.1 |
Kurzbiographie und Werk Nidas |
12.2 |
Entwicklung der Übersetzungstheorie Nidas |
12.2.1 |
Periode deskriptiver Linguistik |
12.2.2 |
Übergang zur kommunikationswissenschaftlichen Theorie |
12.2.3 |
Soziolinguistische und soziosemiologische
Übersetzungstheorie |
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13 |
Überprüfung der Sūtra-Übersetzung
mit Hilfe der Theorien Nidas |
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13.1 |
Anforderungen an einen Übersetzer |
13.1.1 |
Wissenschaftlichkeit am Beispiel des Begriffs fanyi (übersetzen) |
13.1.2 |
Frage nach der Übersetzbarkeit von Texten |
13.1.3 |
Einstellung gegenüber der Ausgangssprache |
13.1.4 |
Einstellung gegenüber der Zielsprache |
13.1.5 |
Grundanforderungen an einen Übersetzer |
13.2 |
Forderung nach „dynamischer Äquivalenz“ |
13.3 |
Organisation des Übersetzungsvorhabens |
13.3.1 |
Die Mitglieder der Übersetzungskommission |
13.3.2 |
Übersetzungsvorgang |
13.3.3 |
Kontrolle der Übersetzungen |
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14 |
Schlussbetrachtung |
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Anhang |
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Literatur- und Abkürzungsverzeichnis |
A 1 |
Abkürzungsverzeichnis |
A 2 |
Literaturverzeichnis |
A 2.1 |
Allgemeine Nachschlagewerke |
A 2.2 |
Sammlungen |
A 2.3 |
Primärliteratur |
A 2.4 |
Sekundärliteratur |
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Faksimiles |
A 3.1 |
Zannings Abhandlung in der Qisha-Version
von Kapitel 3 des Song gaoseng zhuan |
A 3.2 |
Zannings Abhandlung in der Yangzhou-Version
von Kapitel 3 des Song gaoseng zhuan |
A 3.3 |
Zannings Abhandlung in der Ausgabe des Zhonghua-Tripiṭaka von Kapitel 3 des Song gaoseng zhuan |
A 3.4 |
Zannings Abhandlung in der Ausgabe des Taishō-Tripiṭaka von Kapitel 3 des Song gaoseng zhuan |
A 3.5 |
Zhipans Bericht in der Ausgabe des Taishō-Tripiṭaka
von Kapitel 49 des Fozu tongji |
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Glossar |
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Vorwort |
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Eine Frage beschäftigt mich schon seit langem: Wer ist wohl besser dafür geeignet, ein Fachbuch über die Theorie und Praxis der Übertragung buddhistischer Sūtras ins Chinesische zu verfassen – ein Sinologe, der eine systematische linguistische, vor allem translationswissenschaftliche Ausbildung erfahren hat, oder ein studierter Linguist, der ein tiefes Verständnis für die Übersetzung heiliger Schriften ins Chinesische mitbringt? Es ist ausgesprochen schwer, hier zu einer endgültigen Antwort zu gelangen. Beide Herangehensweisen werden wohl auf die scharfe Kritik der jeweils anderen Seite stoßen. Der Kerngegenstand des vorliegendes Werkes allerdings, nämlich die Gedanken des Buddhisten und Historiographen Zanning (919–1001) und seine Gedanken über die Übersetzung buddhistischer Sūtras ins Chinesische sowie die Entwicklung des Buddhismus im China der Sui- und Tang- bis hin zum Beginn der Song-Dynastie, fällt eindeutig in den Bereich der sinologischen Forschung.
Und es kommt nicht von ungefähr oder aus einer zufälligen Laune heraus, dass ich mich dieses Forschungsgegenstands angenommen habe. Diskutiert man theoretische Fragen der Übersetzungsgedanken Zannings, betrifft dies stets auch die Entwicklung des Buddhismus in allen Ländern Zentralasiens sowie deren Beziehung zum chinesischen Buddhismus. Schließlich trat der chinesische Buddhismus gerade erst durch die Staaten Zentralasiens mit Indien in Beziehung. Ich hoffe von daher, dass nicht nur die Gemeinde der Sinologen aus der vorliegenden Forschungsarbeit einen Nutzen zieht, sondern dass ich auch das Interesse der Forscherkollegen aus dem Bereich der Zentralasienkunde zu wecken vermag.
Tatsächlich ist Zentralasien in der jüngeren Vergangenheit immer stärker ins Augenmerk westlicher Sinologen gerückt. Nach der Entdeckung zahlreicher buddhistischer Schriftstücke in Dunhuang und Turpan hat sich das Zentrum der weltweiten archäologischen Forschung seit Ende des 19. Jahrhunderts allmählich in diese Region verlagert. Auch noch so entlegene Winkel rückten allmählich ins Interesse westlicher Sinologen. Zu Recht – war doch die Geschichte des Austausches zwischen China und den Ländern Zentralasiens lange Zeit untrennbar mit der Verbreitung des Buddhismus verbunden. Chinas Beziehungen zur Außenwelt aus dem Blickwinkel der Orientalistik zu betrachten, seine früheren Verbindungen mit der übrigen Welt genau zu analysieren und das Land so vor einem breiteren gesamtasiatischen Hintergrund zu erforschen – all dies hat letztlich geholfen, die chinesische Kultur neu zu verorten.
Heute gibt es bereits eine Fülle von Büchern und Aufsätzen, die sich mit der Übersetzung buddhistischer Sūtras ins Chinesische beschäftigen. Mir läge vor diesem Hintergrund nichts ferner, als dieser langen Liste an Abhandlungen überflüssiger Weise nur ein weiteres Werk hinzuzufügen. Allerdings beschränken sich viele der bisherigen Publikationen auf eine oberflächliche Auflistung der Übersetzungsgeschichte und -gedanken von Sūtras. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich stattdessen um eine Fallstudie, die zugleich einen Einschnitt darstellen soll. Mein Ziel ist es, das gesamte Gebiet der chinesischen Übersetzung buddhistischer Sūtras für die Leserschaft neu zu ordnen. Die Entwicklung und Verbreitung des Buddhismus in China ist letztlich eng mit dem Prozess seiner Sinisierung verbunden, und diese wiederum war in den ersten Jahrhunderten untrennbar mit der Übertragung der buddhistischen Sūtras ins Chinesische verknüpft. Der Buddhismus hat in China also vor allem über den Kanal der Übersetzung und Lehre Verbreitung gefunden. Ich möchte sogar behaupten, dass die Geschichte des chinesischen Buddhismus vor der Tang-Dynastie im Grunde nichts anderes ist, als die Geschichte seiner Übersetzung. Jede Form sinologischer Forschung ist letztlich undenkbar ohne eine Beschäftigung mit dem Gedanken des chinesischen Buddhismus, und die Erforschung des chinesischen Buddhismus wiederum sollte dessen geschichtliche Hintergründe nicht ignorieren. Die Übersetzungsgeschichte buddhistischer Schriften gleicht einem Schlüssel, mit dem sich die Pforte zum chinesischen Buddhismus, ja sogar das große Tor zur Schatzkammer der gesamten chinesischen Gedankenwelt vergleichsweise einfach öffnen lässt. Der chinesische Philosoph Feng Youlan (Fung Yu-lan) 馮友蘭 (1895–1990) hat es in seiner „Geschichte der chinesischen Philosophie“ folgendermaßen auf den Punkt gebracht:
南北朝時,思想界又有大變動。蓋於是時佛教思想有系統的輸入,而人對之亦能有甚深的了解。自此以後,以至宋初,之第一流的思想家,皆為佛學家。
Zur Zeit der südlichen und nördlichen Dynastien durchlief Chinas Gedankenwelt erneut einen großen Wandel. Weil zur damaligen Zeit systematisch buddhistisches Gedankengut Einzug in China fand, begannen sich Chinas Gelehrte intensiv mit den buddhistischen Lehren auseinanderzusetzen. Bis zum Beginn der Song-Dynastie waren alle großen chinesischen Denker gleichzeitig auch Buddhologen. (Zhongguo zhexue shi 中國哲學史. Shanghai: Shangwu, 1934, 661)
Wie aber vermochte es die buddhistisch geprägte Kultur Indiens, die chinesische Kultur derart zu beeinflussen? Oder anders gesagt: Wie kommt es dazu, dass eine Kultur die Merkmale einer anderen Kultur erfolgreich übernimmt? Diese Frage versuche ich schon seit vielen Jahren aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten. China ist letztlich über seine eigene Sprache mit dem indischen Buddhismus in Kontakt getreten, hat ihn auf die Begebenheiten der eigenen Kultur übertragen und schließlich übernommen. Es handelt sich hier also keineswegs um eine einfache „Verpflanzung“ des indischen Buddhismus, sondern vielmehr um einen Prozess des „Verwachsens“, das Produkt einer Verschmelzung indischen Gedankenguts mit der traditionellen chinesischen Kultur. All das ist letzten Endes das Ergebnis eines langjährigen intensiven Austausches zwischen einflussreichen Mönchen aus Indien und Zentralasien und buddhistischen Gelehrten der Han-Nationalität. Später sollten Anhänger unterschiedlicher buddhistischer Schulen aus China, Korea, Japan und Vietnam die chinesischen Übersetzungen buddhistischer Sūtras gleichermaßen als die Lehren Buddhas annehmen und sie zu einer gemeinsamen einzigartigen religiösen Doktrin verweben, die sich später im so genannten Mahāyāna-Buddhismus manifestierte, der auf den Lehren des chinesischen Buddhismus beruht.
Die Übernahme, Weiterentwicklung und Vollendung des indischen Buddhismus in China bis hin zu seiner Ausübung und gesellschaftlichen Durchdringung blicken auf eine über tausendjährige Geschichte zurück. Historische Erfahrungen, die für den intellektuellen und methodologischen Transfer zwischen den Kulturen von größter Bedeutung sind. In der Anfangsphase der Einführung und Übernahme des Buddhismus in China, als der Konfuzianismus noch die dominierende Doktrin des Landes bildete, bestand zwischen beiden Gedankenwelten quasi keinerlei „Dialog auf Augenhöhe“. Erst zu Zeiten der Sui- bzw. Tang-Dynastie, als der chinesische Buddhismus zur Vollendung und zur vollen Blüte gelangte, wurde der Dialog zwischen dem indischen Gedankengut und der chinesischen Kultur von Tag zu Tag gleichberechtigter.
Im Prozess der Übernahme der buddhistischen Lehren hat die chinesische Kultur reiche Erfahrungen in der Überschreitung kultureller Barrieren gesammelt. Und just als der indische Buddhismus in China seine Sinisierung und Osmose durchlief, hatte er in Indien bereits den Rückzug angetreten, stand gar davor, ganz zu verschwinden. Fest steht, dass die konfuzianischen Gelehrten durch den Einfluss der buddhistischen Philosophie auch ihre eigene Domäne aus einer neuen Perspektive betrachteten, was schließlich in die Schule des Neo-Konfuzianismus mündete. Die Frage, wie die Fesseln der „eigenen“ sowie der „fremden“ Kultur abzustreifen waren und es gelingen konnte, in das Stadium einer weitläufig anerkannten „kreativen Hybridität“ einzutreten, war für die Entwicklung des chinesischen Buddhismus in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung.
Bei meiner Beschäftigung mit Zanning habe ich intuitiv ein grundlegendes theoretisches Muster aufgetan, anhand dessen ich den Versuch unternommen habe, ein kulturübergreifendes Denkmuster abzuleiten. Auf dieser Grundlage ist es meines Erachtens auch lohnenswert, sich einmal über die folgenden Punkte Gedanken zu machen:
1. Über die Erforschung des Einzugs des Buddhismus in China und seines Zusammenpralls und Verschmelzens mit der chinesischen Kultur können wir nicht nur einen Pfad für die Entschlüsselung des „Chinatums“ ableiten, sondern auch die Kernvehikel identifizieren, die Probleme zwischen zwei Zivilisationen aufwerfen. Auch erhalten wir durch die Beschäftigung mit diesem Forschungsgegenstand Antworten darauf, wie es dazu kommen kann, dass sich die historischen Wurzeln zweier Kulturen in ein Verhältnis gegenseitiger Kritik verstricken. Hieraus können meiner Auffassung nach vor allem im Zusammentreffen zwischen China und dem Westen wichtige Lehren gezogen und Nachahmenswertes aufgetan werden.
2. Wie lassen sich mit nicht-chinesischen Methoden die transzendenten Konzepte der indischen Philosophie mit den immanenten Spuren der konfuzianischen Theorie verbinden? Sobald man dieser Frage gegenübertritt, ist es unabdingbar, alle durch die chinesische Geschichte oder chinesische Denkmuster vorgefertigten gedanklichen Herangehensweisen als Referenzrahmen abzusteifen und kulturübergreifendes Territorium zu betreten. Nichts anderes haben letztlich auch die konfuzianischen Intellektuellen getan, als sie mit dem Vorstoß des Buddhismus konfrontiert waren.
3. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit wissen wir, dass die chinesische Kultur eine große Toleranz hinsichtlich der Aufnahme von Fremdem besitzt. Sollte China vor diesem Hintergrund also nicht auch die Herausforderung der westlichen Modernisierung noch stärker begrüßen? Und bewahrt uns diese enorme Integrationsfähigkeit nicht auch davor, in diesem Modernisierungsprozess die Verbindung zu den kulturellen und historischen Wurzeln Chinas zu verlieren? Ja verleiht sie China im Gegenteil nicht sogar die Fähigkeit, die modernen Einflüsse aus dem Westen erfolgreich zu absorbieren, sie umzuwandeln und den chinesischen Begebenheiten anzupassen?
Die vorliegende Publikation ist die erste Monographie, die sich mit den buddhistischen Gedanken Zannings und seinen Übersetzungsgedanken befasst. Einen derart komplexen Forschungsgegenstand gleich zu Beginn in westlicher Sprache darzulegen, ist alles andere als ein leichtes Unterfangen. Zwar ist das vorliegende Werk das Ergebnis mehrjähriger intensiver Forschungsarbeit des Autors, dennoch muss gesagt werden, dass die Forschung zum chinesischen Buddhismus derzeit in rasantem Tempo voranschreitet, fast täglich werden neue Ergebnisse veröffentlicht. Vor allem dank der Anwendung immer neuer Forschungsmethoden und Materialien wird der Inhalt dieses Buches sicher bald überholt sein, was aber letztlich nur im Interesse meiner Person als Verfasser liegen kann. Dieses Werk mag vielleicht die erste, mit Sicherheit aber weder die letzte noch die vollkommenste Monographie über Zanning darstellen. Und ich hoffe inständig, dass in naher Zukunft noch viele weitere Fachpublikationen erscheinen werden, die sich mit diesem bedeutenden Historiographen und Buddhisten und seinen Übersetzungsgedanken auseinandersetzen, nicht nur in Ostasien, sondern auch im englischsprachigen Raum, ja sogar in anderen Sprachkreisen der chinesischen Buddhismusforschung. Dann hätte ich als Forscher mein Ziel erreicht, eine „Debatte ins Rollen zu bringen“. Zudem ist es bisher versäumt worden, das Potential der modernen Translationswissenschaft, die sich derzeit ebenfalls rasant entwickelt, auf das Gebiet der Übersetzungsanalyse buddhistischer Sūtras zu übertragen. Die vorliegende Arbeit will dem nachkommen und unterzieht den Forschungsbereich anhand der Errungenschaften der Übersetzungswissenschaft einer kritischen formalen Selbstbetrachtung.
Bei der Interpretation der Gedanken Zannings werden in diesem Buch auch die historischen Hintergründe in ihrem Kern vorgestellt, um so die Intentionen von Zannings Gedankengut und dessen Verbindung mit den Zeichen seiner Zeit zu verdeutlichen. Dieses Buch wurde auf Deutsch verfasst und richtet sich an eine Leserschaft aus dem deutschsprachigen Raum, die mit der Thematik des Buddhismus Ostasiens eher wenig vertraut ist. Beim Verfassen des Werkes wurde deshalb auch Wert darauf gelegt, alle Hintergründe möglichst klar zu vermitteln. Viele Termini, die für die meisten Leser Ostasiens vielleicht zur Allgemeinbildung gehören mögen, werden in diesem Buch deshalb relativ ausführlich erläutert.
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